Süddeutsche Zeitung

Bolivien:Che Guevaras Mörder ist tot

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In Bolivien ist Mario Terán gestorben, der 1967 Che Guevara erschoss - und so endgültig zur Ikone machte.

Von Willi Winkler

Nur die Toten bleiben jung, und manche werden auch noch unsterblich. Che Guevara starb vor mehr als einem halben Jahrhundert, aber weil er, wie Jean-Paul Sartre wusste, der "vollkommenste Mensch unserer Zeit" war, lebt der melancholische Revolutionär fort auf T-Shirts, Designerhandtaschen und Kaffeetassen. Manchmal muss er sogar für eine Autovermietung werben. Jetzt ist der Mann gestorben, der ihm diesen Nachruhm gesichert hat, sein Mörder.

Betrunken soll Mario Terán gewesen sein, als er am 9. Oktober 1967 zur Exekution schritt, und den Revolutionär soll er vor lauter Aufregung erst beim dritten oder vierten Schuss ins Herz getroffen haben. Es sei der schlimmste Moment in seinem Leben gewesen, behauptete er später. Che Guevara habe ihn mit seinen großen Augen angeschaut, bis ihm ganz schwindlig wurde. Aber wie das so ist in diesen Heldensagen, dem Henker wird bang, sein Opfer nutzt die Gelegenheit für ein wohltönendes Schlusswort: "Schieß endlich, du Feigling, und sieh, wie ein Mann stirbt!"

So sinnlos das ganze Unternehmen war, das den ausgebildeten Arzt dazu drängte, die in Havanna etablierte Revolutionsregierung zu verlassen und den Guerillakampf erst in Afrika und dann in Bolivien fortzusetzen, sein Tod im Waschhaus eines abgelegenen Bergdorfes in den Kordilleren hat Dr. Ernesto Guevara zu einer Märtyrergloriole verholfen, die nur in katholischen Heiligenlegenden ihresgleichen findet. Er war gescheitert, es war ihm nicht gelungen, die Indios zum Aufstand gegen die vom Kokainhandel finanzierte und von den USA angeleitete Militärregierung aufzustacheln. Mit freundlicher Unterstützung der CIA wurde er aufgespürt und zur Strecke gebracht, aber dieser Tod wurde sein Triumph.

"Nur die Gewalt kann helfen" - aber sie half nicht

Der Todeskitsch folgte sogleich: Der berüchtigte Endreimer Wolf Biermann erhob ihn zum "Jesus Christus mit der Knarre" und dichtete extra militant: "Uns bleibt, was gut war und klar war,/dass man bei dir immer durchsah/und Liebe, Hass, doch nie Furcht sah:/Commandante Che Guevara." Peter Weiss klopfte sich an die Brust und weinte in die Schreibmaschine: "Sind wir mitschuldig an diesem Tod? Sind wir die Verräter? Oder waren wir nur in unserm Alltag Befangene, Gleichgültige, getrost und unbekümmert um jene ferne Revolution?" Der Dichter wusste, was jetzt fällig war: "Nur die Gewalt kann helfen."

Aber die Gewalt half nicht. Der bolivianische Präsident René Barrientos Ortuño, der das Todesurteil unterzeichnet hatte, kam 1969 bei einem mysteriösen Hubschrauberabsturz ums Leben. Roberto Quintanilla, der als Geheimdienstchef befahl, dass dem Toten zur Identifizierung die Hände abgehackt wurden, ging als Konsul nach Hamburg, wo ihn Monika Ertl, die Tochter eines Riefenstahl-Kameramanns, aufspürte und mit der Pistole des Verlegers Giangiacomo Feltrinelli umbrachte und den Guerillero rächte. Doch ist das nicht das Ende der Geschichte: Der christusgleich aufgebahrte Che wirkte noch weit über seinen Tod hinaus Wunder: 2006 kam der pensionierte Feldwebel, der zu seiner Sicherheit einen neuen Namen erhalten hatte, in den Genuss der Operación Milagro, bei der kubanische Ärzte Arme in Lateinamerika kostenlos behandeln. Terán erhielt sein Augenlicht wieder. "Die Geschichte ist die Kanaille", heißt es in einem Gedicht des kubanischen Dichters Heberto Padilla, "die legt sich ins Bett zu der Großen Hure." Am Mittwoch ist der Che-Mörder Mario Terán im Alter von 79 Jahren im bolivianischen Santa Cruz friedlich gestorben.

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