Süddeutsche Zeitung

Militärbefreiung in Südkorea:Lex K-Pop

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Südkoreas Kulturminister will es Popkünstlern per Gesetz möglich machen, den eigentlich verpflichtenden Militärdienst auszulassen. Grund offenbar: das Alter eines Mitglieds der Band "BTS".

Von Jakob Biazza

Interessant ist natürlich der Umkehrschluss: Es sei an der Zeit, hat Südkoreas Minister für Kultur, Sport und Tourismus, Hwang Hee, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz erklärt, Figuren aus dem Bereich Pop dem Kulturpersonal zuzuschlagen ("incorporating popular culture-art figures as art personnel"). Was wohl heißt: dem "echten" Kulturpersonal. Das ist deshalb spannend, weil der K-Pop, die sehr spezielle und sehr, sehr erfolgreiche Popmusik aus Südkorea, für das Land damit bislang zwar viel war - Indoktrinationskanal, Softpower-Image-Instrument, Wirtschaftsfaktor -, aber eben offenbar keine Kunst.

Das will Hwang nun ändern. Der Minister plant ein Gesetz, das es Popkünstlern ermöglicht, sich vom Militärdienst befreien zu lassen. In seinen Worten: "ihrem Land außerhalb des Militärs zu dienen". Die aktuelle Gesetzeslage schreibt es gesunden Männern nämlich eigentlich vor, den Militärdienst anzutreten bevor sie 30 werden. Ausnahmen: Künstler (etwa im Bereich Klassik und Folk). Und Sportler, die Medaillen bei den Olympischen Spielen gewonnen haben. Popsänger nicht.

Der Vorstoß nun verdankt sich offenbar der Altersstruktur von BTS - eine der weltweit erfolgreichsten Popbands, die regelmäßig Streaming-Rekorde bricht und Milliarden umsetzt. Deren ältestes Mitglied, Jin, wird am 4. Dezember 30, müsste also sehr bald seinen Dienst antreten. So, wie er das vor zwei Jahren schon gemusst hätte. Ursprünglich lag die Altersgrenze nämlich bei 28 Jahren. Sie wurde ein paar Tage vor Jins Geburtstag angehoben.

Die Umsätze von "BTS" machen 0,3 Prozent des südkoreanischen Bruttoinlandsproduktes aus

Eine Art fortgesetzte Lex K-Pop also. Ministerbegründung: Das System der Ausnahmen sei erschaffen worden, um jenen, die "mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten den Status des Landes gesteigert haben", mehr Möglichkeiten zu geben, einen Beitrag zu leisten. Es gebe keinen Grund, warum das für Popkünstler nicht gelten solle.

Das passt gut zum jahrzehntelangen Verhältnis von Nation und Kunst. Südkoreanische Regierungen sind in die Popkultur ihres Landes schon lange involviert. Vorsichtig formuliert. Als Ausläufer der Diktatur unter Park Chung Hee war Musik fast bis in die Neunziger ein Mittel zur Indoktrination. Es sollte der Bevölkerung Patriotismus und eine gute Lebensführung beibringen. Der K-Pop änderte das kurzfristig. Künstler wie Seo Taiji & Boys thematisierten, wenigstens eine Zeitlang, unter anderem die Wut und Zerrissenheit von jungen Ausreißern in einer von Moral und Familienwerten bestimmten Gesellschaft.

Der Manager Lee Soo Man war es dann, der als einer der Ersten das Potenzial des neuen Genres erkannte - ebenso wie das Potenzial des Markenzeichens "Made in Korea". Mit seiner Firma SM Entertainment machte er unter anderem den Künstler Hyun Jin-young und die Band H.O.T. groß. Als 1997 eine Finanzkrise Asien erfasste, entdeckte auch die Regierung die Kultur als Wirtschafts- und, noch wichtiger, Exporttreiber. Mindestens ein Prozent des staatlichen Budgets sollte fortan für Kultur ausgegeben werden.

Die Erfolge dieser Ausgaben sind erstaunlich. Filme wie "Parasite" oder Serien wie "Squid Game" waren zuletzt enorme Exporterfolge. Im Pop ist der Effekt aber noch gewaltiger. Allein die Umsätze von BTS machten vor ein paar Jahren 0,3 Prozent des gesamten südkoreanischen Bruttoinlandsproduktes aus. Als Big Hit Entertainment, das Management der Band, vor zwei Jahren an die Börse ging, wurde es mit umgerechnet etwa 6,5 Milliarden Euro bewertet. Der Militärdienst eines der Mitglieder würde da wohl zu erheblichen Einbrüchen führen. Wahrscheinlich auch künstlerisch.

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