Süddeutsche Zeitung

Verteidigungsminister:Raue Zeiten für Boris Pistorius

Lesezeit: 4 min

Auf den neuen Verteidigungsminister warten große Aufgaben. Seinen Amtsantritt verbindet er mit klaren Ansagen. Die Reaktionen der Leserinnen und Leser darauf sind gemischt.

"Was Pistorius als Verteidigungsminister jetzt tun muss" vom 18. Januar, "Pistorius bereitet Panzerlieferung vor" vom 21./22. Januar, "100 Milliarden werden nicht reichen" vom 28./29. Januar, " Ich habe richtig Bock auf den Job" vom 28./29. Januar.

Erst mal im Amt ankommen

Verteidigungsminister Pistorius ist erst wenige Tage im Amt. Und schon spricht er bereits von der Tatsache, dass 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr nicht ausreichen. Auch über Kampfjets für Kiew und über die Wehrpflicht tat er seine Meinung kund. Nicht erwähnt hat er die Kosten für einen vom ukrainischen Präsidenten geforderten Wiederaufbau der Ukraine. Hat Herr Pistorius vielleicht einen Crashkurs für Finanz- und Verteidigungspolitik absolviert? Hoffentlich gehen seine Pläne auf.

Stefan Herb, Roding

Pistorius packt Probleme an

Als ehemaliger Berufssoldat ist mir beim Lesen des Interviews mit Verteidigungsminister Pistorius das Herz aufgegangen. Der Minister spricht die Probleme nicht nur an, sondern er packt sie auch an. Richtig ist doch, der Niedergang der Bundeswehr wurde nach Ende des Kalten Krieges eingeleitet. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass Boris Pistorius die Trümmer seiner Vorgänger auffangen kann: Personal stagniert, Aussetzung der Wehrpflicht, Ausrüstungsmängel, Beschaffungswesen - um nur einige zu nennen.

Günther Schießle, Penzberg

Der Kanzler muss sich erklären

So, so, der neue Verteidigungsminister hat als Morgengabe zum Abschluss der Konferenz der Verteidigungsminister zur Unterstützung der Ukraine in Ramstein eine "Prüfung aller Bestände und Verfügbarkeiten (von Leopard-Panzern) angeordnet". Wenn solch eine Aufstellung nicht längst vorliegen würde, wäre dies ein unglaublicher Dilettantismus, den man der militärischen Führung einfach nicht zutrauen kann. Ist hier vielmehr wieder eine Scholz-typische Hinhalte- und Verzögerungstaktik mit peinlichem Zögern und Wegducken mit immer neuen Ausreden zu erkennen?

Laut Spiegel, NZZ und SZ existiert solch eine Liste seit Langem mit detaillierter Auflistung der verschiedenen Leopard-Modelle und deren Verfügbarkeit. Das Internetportal Business Insider meldete unter Bezug auf Quellen des Verteidigungsministeriums, dass Ministerin Christine Lambrecht noch vor ihrem Rücktritt die Bestandsaufnahme der Leopard-Panzer 1 und 2 nicht zugelassen habe. Wenn dies zutreffen sollte, wäre der Skandal perfekt, und der Bundeskanzler hätte ein weiteres Problem, das sich nicht totschweigen ließe. Wo bleibt eine Erklärung des Bundeskanzlers, in der er seinen Standpunkt deutlich macht, um die immer größer werdende deutsche Isolation bei unseren Verbündeten zu beenden?

Reinhard E. Unruh, Schleswig

Erst mal abwarten

Sind die momentanen Erwartungen und Vorschusslorbeeren für Boris Pistorius nicht unrealistisch? Ist es wirklich zu erwarten, dass dieser erklärte "Freund" des Kanzlers Scholz anders agieren und lavieren wird als sein Chef, der ihm (trotz anderer mindestens gleich guter, und sogar weiblicher, Optionen) gerade eine große Karrierechance ermöglicht hat und sich damit sicher keinen Widersacher ins Haus holen wollte?

Man mag über den Charakter, die Ehrlichkeit, die Tatkraft und den Mut des Herrn Scholz denken, was man will, aber als Meister gewisser Schlauheiten wird er sicherlich nicht so unvorsichtig sein, sich einen Widersacher mit selbständiger und von ihm abweichender Meinung an die Seite zu stellen. War also dieses, wieder einmal mit Phrasen und Ausreden umsponnene, Ergebnis nicht schon von Anfang an klar? Ich mache mit jedem jede Wette, dass das auch so bleiben wird.

Nikolaus Castell-Castell, Prag, Tschechien

Panzerlieferung ist riskant

Ganz abgesehen davon, dass es schon etwas erstaunt, wenn erst unser neuer Verteidigungsminister darangeht, die Leopard 2-Bestände zu erfassen und angeblich auf ihre Kompatibilität mit anderen Waffensystemen überprüfen zu lassen. Müssen wir, wenn Wolodimir Selenskij dies fordert, gehorchen, und ihm diese Panzer liefern? Ohne Garantie dafür, was er mit ihnen vorhat? Damit nicht nur russische Stellungen zu durchbrechen? Und russisch besetzte ukrainische Gebiete zurückzuerobern? Sondern auch die Krim? In einem neuen Krimkrieg? Soll er dazu unsere Panzer verwenden dürfen? Gegen Putin? Den sich unsere Politiker, die von der SPD zuvorderst, über Jahrzehnte hinweg zu ihrem Freund gemacht haben? Ihn nach dem Einmarsch auf ebendiese Krim im Jahr 2014 damit belohnt haben, ihm unsere systemwichtigen Gasspeicher zu verkaufen? Und ihm für eine noch intensivere Abhängigkeit von seinem Gas die neue Pipeline Nord Stream 2 zu bauen versprachen?

Josef Gegenfurtner, Schwabmünchen

Militarist im positiven Sinne

Die Frage, ob Herr Pistorius für das Amt geeignet ist, greift zu kurz. Seine Vorgänger der letzten 30 Jahre haben alle dabei mitgewirkt, die Bundeswehr nachhaltig kaputtzusparen und dysfunktional zu gestalten. Dies war eine von allen politischen Kräften verantwortete und vom gesellschaftlichen Konsens getragene Entwicklung: Wir brauchen nur das Allerallernötigste an Bundeswehr - das heißt, zu wenig für Krisen, ja zu wenig für den Alltag.

Es reicht jetzt nicht, die Angelegenheit mit Wumms "zur Chefsache zu machen". Solche Ankündigungen sind oft als leere Worthülsen entlarvt worden. Was man jetzt braucht, ist ein gesellschaftlicher Konsens des Gegenteils; viele beteiligte Institutionen und Stellen (etwa das Finanzministerium oder das Beschaffungswesen) müssten neu aufgestellt werden, mitmachen und am selben Strang ziehen. Dass diese Entwicklung in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Gang gesetzt wird, ist genauso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich, wie dass die Bahn in fünf bis zehn Jahren saniert sein und pünktlich fahren wird.

Optimismus ist fehl am Platze. Denn die Misere ist seit zehn Jahren (und länger) allen bekannt, und bisher ist nichts geschehen. Was es bräuchte, wäre außerdem ein Verteidigungsminister, der Freude am Militärischen hat und die Herzen der Soldaten für sich gewinnt; ein Militarist im positiven Sinne. Eigentlich sollte es inzwischen bei den Grünen möglich sein, eine solche Persönlichkeit zu finden. Oder, um Frau Baerbock zu paraphrasieren: Wenn du den Frieden schützen willst, dann bereite den Krieg vor.

Prof. Ludwig Paul, Hamburg

Geben wir Pistorius etwas Zeit

Es ist nicht einfach, das Bundesverteidigungsministerium in Kriegszeiten zu führen. Das Verfolgen einer mit den Partnern aus Nato und EU klar abgestimmten Linie ist überaus wichtig. Das gilt sowohl für Waffenlieferungen als auch für die humanitäre Unterstützung oder den späteren Wiederaufbau der Ukraine. Putin soll registrieren, dass er diese Einheit nicht spalten kann. Geben wir Herrn Pistorius etwas Zeit, sich in die Materie einzuarbeiten. Der Start lief schon mal ganz gut. Pistorius wird die Truppe ganz sicher nicht in Pumps abschreiten.

Achim Bothmann, Hannover

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