Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus:Mitglied der "Identitären Bewegung" will Waffenlizenz zurück - ohne Erfolg

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Aus dem Gericht von Johann Osel, Ansbach

Dass die bayerischen Behörden einem führenden Aktivisten der "Identitären Bewegung Deutschland" (IBD) die Waffenlizenz entzogen haben, ist rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht Ansbach wies am Donnerstag eine Klage des Mannes gegen den Freistaat ab. Der Landkreis Erlangen-Höchstadt als zuständige Waffenbehörde hatte Nils Altmieks die "waffenrechtliche Zuverlässigkeit" abgesprochen, seine Waffenbesitzkarte annulliert und umgehend drei Gewehre und eine Kurzwaffe eingezogen.

Laut Waffengesetz ist dies bei Personen geboten, deren Aktivitäten oder Mitgliedschaften "gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet" sind. Altmieks ist in der Regionalgruppe Franken aktiv, er gehört aber vor allem dem engen bundesweiten Führungszirkel des völkischen Vereins an, der in Bayern wie auf Bundesebene im Fokus der Verfassungsschützer steht. Der Bauingenieur, 32, erschien selbst nicht vor Gericht, es kam nur sein Rechtsanwalt.

Als Kernthese der IBD gilt die "ethnokulturelle Identität", gebunden an Herkunft, Kultur, Sprache und Religion - die es "vor Massenzuwanderung und Islamisierung" zu schützen gelte. Das entspreche, so rechtfertigt Bayerns Verfassungsschutz die Beobachtung, einer rechtsextremistischen "Blut und Boden"-Ideologie, wobei der Begriff "Rasse" durch "ethnokulturelle Identität" ersetzt sei; die Programmatik lasse insgesamt eine "starke Nähe zum biologistischen Denken von Rechtsextremisten erkennen".

Bundesweit zählt die IBD laut Behörden mehr als 500 Mitglieder, dazu ein weiteres Unterstützerfeld. Die Gruppen in Bayern gehören zu den stärksten. Öffentliche Provokationen sowie deren spätere Vermarktung im Internet sind übliche Aktivitäten der IBD. Neben dem Aufhängen von Bannern an prominenten Orten gehört die Störung von Veranstaltungen, etwa über das Thema Islam, zur Guerilla-Taktik.

Als Altmieks 2017 seinen Jagdschein verlängern wollte, hatte ihm der Landkreis mit Blick auf die Verfassungsschutzberichte die waffenrechtliche Zuverlässigkeit abgesprochen. Der Abgabe seiner Waffen kam der IBD-Aktivist nach, ging aber den Klageweg. Waffenlizenzen können aus vielen Gründen entzogen werden: wenn ein Bürger Waffen unsachgemäß aufbewahrt oder kriminell wird - und eben, wenn wegen ideologischer Bestrebungen seine Eignung im Zweifel steht.

Ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist dies zuletzt wegen sogenannter Reichsbürger. Seit dem Polizistenmord 2016 durch einen "Reichsbürger" in Georgensgmünd geht die Staatsregierung mit dem Mittel gegen die Szene vor. Laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat Bayern "bundesweit die Vorreiterrolle übernommen". Bis Ende 2018 wurden gegen 325 identifizierte Reichsbürger Widerrufsverfahren der Waffenerlaubnis eingeleitet; 670 Waffen wurden entzogen.

Mittlerweile sind Streitfälle vor Verwaltungsgerichten gelandet. Oft läuft die Überprüfung rasch - falls ein Kläger die Existenz der Bundesrepublik abstreitet, da es sich in Wahrheit um eine Firma handele, liegt der Richterspruch quasi auf der Hand. Auch das Argument eines "Reichsbürgers" vor einem Verwaltungsgericht, er möchte die Waffen erst im "postapokalyptischen Zeitalter" einsetzen, verfing nicht.

Im Identitären-Fall ist die Einordnung schwieriger. Von klassischen Neonazis unterscheiden sie sich dadurch, dass sie auf Antisemitismus und Anleihen an das Dritte Reich eher verzichten und offiziell Gewaltlosigkeit propagieren. Nur vereinzelt wurden bislang Delikte körperlicher Natur verübt. Generell ist aber laut Verfassungsschutz eine Abkehr von dem Prinzip, also die weitere "Radikalisierung" von Mitgliedern "einzukalkulieren". Außerdem gibt es Identitäre mit Vergangenheit in der Neonazi-Szene oder Kontakten dorthinein.

Diese Dinge spielten nun auch in Ansbach eine Rolle. Der Anwalt des Klägers sagte, dass Altmieks bekanntlich "eine einwanderungskritische Politik verfolgt", jedoch stehe er dabei "auf dem Boden des Grundgesetzes". Er sei zwar wegen Störung von Veranstaltungen verurteilt worden, diese Aktionen seien allerdings "gewaltfrei, wenn auch nicht ganz legal". Eine Mitgliedschaft in der 2009 verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ), wie sie die staatliche Vertretung vorbrachte, habe nie bestanden. Altmieks habe an Zeltlagern teilgenommen, sich die HDJ "angeschaut", dann aber "Abstand genommen". Die Vertretung des Freistaats erwähnte zudem eine Durchsuchung bei Altmieks, wo man das Buch "Mein Kampf" gefunden habe.

Das Gericht betonte am Ende, dass Altmieks maßgeblich einen Verein beeinflusse, bei dem Verfassungsschützer "gewichtige Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" sehen. Der IBD-Führer betreibe "nicht lediglich eine kritische Einschätzung der politischen oder gesellschaftlicher Situation"; sondern agiere konkret und habe "auch die Grenze des Strafrechts überschritten". Zur HDJ erkenne man mindestens eine "Nähe".

Dass er als Waffenbesitzer unauffällig war, tue nichts zur Sache: Altmieks sei nicht zuverlässig im Sinne des Waffenrechts. Die Behörden seien "nicht erst nach Schadenseintritt zum Handeln aufgerufen". Über seinen Jagdschein wird separat entschieden. Seine "sprengstoffrechtliche Erlaubnis" (relevant etwa für Schützen, die mit Pulver laden) ist ohnehin jüngst abgelaufen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Ein Antrag auf Zulassung einer Berufung ist möglich.

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Quelle:
SZ vom 26.04.2019
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