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Uekermann kandidiert als Juso-Chefin:Adams Zankapfel

Lesezeit: 3 min

Johanna Uekermann hat den Krach in der Bayern-SPD mit ausgelöst: Landrat Adam nannte Landeschef Pronold "Ballast", der konterte hinter den Kulissen. Und die 26-jährige Niederbayerin, um deren Karriere es ging? Schwieg einfach. Knapp ein Jahr danach kandidiert sie nun als Juso-Chefin.

Von Wolfgang Wittl

Ihr politisches Erweckungserlebnis hat Johanna Uekermann ausgerechnet einem Mann zu verdanken, mit dem sie so ziemlich überhaupt nichts verbindet. Es war nach der Landtagswahl 2003, Edmund Stoiber stand nach dem Erreichen der Zweidrittelmehrheit der Mandate im Zenit seiner Macht, als er in der Bildungspolitik einen radikalen Schwenk vollzog: erst die Einführung des G 8, dann Erhebung von Studiengebühren. So, dachte sich die Schülerin Johanna Uekermann aus Mitterfels bei Straubing, könne es nicht weitergehen. "Da bin ich selber aktiv geworden."

Und wie: Uekermann engagierte sich bei den Jusos noch mehr als bisher, arbeitete sich über Kreis- und Landesebene bis zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden empor. Nun steht sie vor ihrem vorläufigen politischen Höhepunkt. Anfang Dezember will sie sich in Nürnberg zur Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD wählen lassen, wie die Jusos offiziell heißen. Sie wäre die erste Juso-Chefin aus Bayern seit einem halben Jahrhundert. Die Aussichten, dass ihr der nächste Karriereschritt gelingt, sind glänzend.

Seine Tochter sei schon immer ein politischer Mensch gewesen, sagt Heinz Uekermann. Er selbst dürfte großen Anteil daran haben. Für die SPD hat er schon alles gemacht: für den Landtag kandidiert, er ist Fraktionschef im Kreistag, Zweiter Bürgermeister in Mitterfels, Unterbezirksvorsitzender, zuletzt trat er für den Bezirkstag an. Auch Johannas Mutter ist SPD-Mitglied, der Großvater war Bürgermeister. All das in einem tiefschwarzen Landkreis, so etwas prägt. Eines der wichtigsten Merkmale seiner Tochter sei, dass sie niemals aufgebe, sagt Heinz Uekermann.

Unfreiwillige Bekanntheit

Allerdings weiß die 26-Jährige auch, wann sie besser zu schweigen hat. Uekermann erlangte vor knapp einem Jahr unfreiwillig Bekanntheit, als sich der Regener Landrat Michael Adam und SPD-Landeschef Florian Pronold wegen ihr überwarfen. Adam, damals noch niederbayerischer Bezirksvorsitzender, unterstützte Uekermann für einen aussichtsreichen Listenplatz bei der Bundestagswahl. Pronold machte sich für eine andere Kandidatin stark - und setzte sich durch.

Es folgte eine Fehde, die Bayerns SPD bis heute belastet. Adam bezeichnete Pronold als "Ballast", der sich mit "Jasagern" und "Speichelleckern" umgebe. Pronold konterte hinter den Kulissen. Und Uekermann? Sagte nichts. "Dafür habe ich sie bewundert", sagt ihr Vater. Obwohl sie nur den letzten Frauen-Listenplatz bekam, habe sie im Wahlkampf bis in jede Nacht hinein geackert.

Selbst als Adam nach der Bundestagswahl bekannte, zwar die ausgezeichnete Direktkandidatin Uekermann gewählt, seine Zweitstimme aber der CSU gegeben zu haben, blieb sie dabei: Sie werde sich nicht dazu äußern. Wer Uekermann näher kennt, weiß aber, dass sie sich über Adams CSU-Votum mehr ärgert, als sie sich über dessen persönliche Unterstützung freut. Dafür ist sie den Inhalten der SPD zu sehr verbunden. Pronold sagt rückblickend, dass er nicht gegen Uekermann, sondern nur für die andere Bewerberin eingetreten sei. Uekermann sei eine "hervorragende Nachwuchspolitikerin", mit deren Wahl die Jusos "einen Riesenschritt nach vorne" machten.

Das Ziel ist klar

Die Weichen sind gestellt. Noch während des Bundestagswahlkampfs begann Uekermann in den Juso-Landesverbänden zu sondieren. Die Mehrheit der beiden dominierenden, links orientierten Strömungen weiß sie hinter sich. Uekermann gehört dem Lager der Traditionalisten an, in ihrer Bewerbung hat sie sich gleich in Stellung gebracht. Sie fordert eine neue strategische Ausrichtung der SPD, es reiche künftig nicht aus, Rot-Rot-Grün nur nicht mehr auszuschließen. Sie ahnt: "Wir Jusos werden die treibende Kraft sein müssen."

Sie will sich für eine bessere Förderung von Frauen einsetzen, Perspektiven für Jugendliche und ein Gesellschaftsmodell entwickeln, wie Deutschland in 20 Jahren aussehen könne. Mindestlohn, Steuergerechtigkeit, Öffnung der Ehe und doppelte Staatsbürgerschaft hält sie für zentrale Positionen bei den Koalitionsverhandlungen.

Um den etwa 70.000 Juso-Mitgliedern zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, wird sie ihren Stil womöglich anpassen müssen. Wegbegleiter beschreiben Uekermann als geradlinig, verlässlich und integrationsfähig, aber auch als jemanden, der lieber auf die Kraft der Argumente setzt. Ihr Gegner im Wahlkampf, der CSU-Mann Alois Rainer, hat sie als "immer fair" und "an der Sache orientiert" erlebt. Ob das für einen frechen Jugendverband reicht? Uekermann räumt ein, dass es nicht ihre Art sei, einen Spruch um des Spruches willen rauszuhauen. Doch falls nötig könne sie auch mal laut und unkonventionell sein.

Wohin ihr Weg sie führen wird, hält Johanna Uekermann selbst für eine spannende Frage. Klassenkameraden sagten ihr voraus, sie würde die erste Kanzlerin werden. Bekanntlich kam ihr eine gewisse Angela Merkel zuvor. Vor wenigen Monaten hat Uekermann ihr Studium der Politikwissenschaften, Soziologie und Kulturgeografie abgeschlossen, demnächst wird sie wohl für den Kreistag kandidieren, in vier Jahren wieder für den Bundestag. In ihrem Zimmer steht ein Foto von Willy Brandt, doch ein politisches Vorbild habe sie nicht, sagt sie. Der letzte Juso-Vorsitzende aus Niederbayern taugt wohl auch nicht dafür: Günther Müller beendete seine politische Karriere als Abgeordneter der CSU. "Das", sagt Uekermann, "wird mir bestimmt nicht passieren."

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Quelle:
SZ vom 25.10.2013
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