Süddeutsche Zeitung

Schwaben:Wie ein kleiner Roboter in Augsburg Raucher erzieht

Lesezeit: 3 min

Am Königsplatz ist das Rauchen verboten. Viele halten sich aber nicht daran. Das soll nun eine blaue, kniehohe Holzkiste ändern.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Augsburg und Roboter? Da fällt einem zurzeit von New York bis Neu-Ulm vor allem eines ein: der deutsch-chinesische Machtkampf um die Firma Kuka. Im Herzen der Augsburger City, auf dem Königsplatz, steht derzeit ein ganz anderes Gerät im Mittelpunkt. Swally. Der kleine Fratz rattert laut und langsam herum und erfüllt gleich zwei Jobs auf einmal. Erstens erobert er die Herzen (fast) aller Passanten. Zweitens bringt er Raucher dazu, die Zigarette auszumachen.

Swally ist eine blaue, kniehohe Holzkiste mit ratterndem Kettenantrieb und zwei tropfenförmigen Augen aus Kunststoff. Er kann weder sprechen noch irgendwelche Töne von sich geben. Nur ratternd herumfahren und treuherzig schauen. Aber das genügt. Groß und Klein, Jung und Alt, Mann und Frau entlockt er ein Lächeln. Viele zücken ihr Handy und machen Fotos. Ein Bub beugt sich über Swally und tätschelt ihn über den zwei treuherzigen Augen. Vor seinem Roboter-Rumpf fährt er ein Schild spazieren, darauf steht geschrieben: "Der Kö ist Nichtraucher."

"Kö" ist die Abkürzung der Augsburger für den Königsplatz, den zentralen Nahverkehrsknoten. Hier dreht Swally im Auftrag der Stadtwerke Augsburg (SWA) seine Runden. "Wir wollen die Leute auf das Rauchverbot aufmerksam machen", sagt SWA-Sprecher Jürgen Fergg, "aber ohne erhobenen Zeigefinger." Seit dem großen Umbau des Königsplatzes vor zweieinhalb Jahren ist Rauchen hier verboten, doch viele Menschen paffen trotzdem.

Manche aus Unwissenheit, andere aus Trotz. "Es gab immer wieder Beschwerden von Nichtrauchern", sagt Dorothee Schäfer von den SWA. Also haben sich die Stadtwerke-Leute zusammengesetzt und überlegt. "Wir wollten das Areal nicht mit Verbotsschildern zupflastern", berichtet Schäfer. So wurde Swally gezeugt. Der kleine eckige Gehilfe soll den Rauchern das Rauchen abgewöhnen, ohne ihre Laune zu verderben. Und das schafft er. Meistens jedenfalls, wie ein Testnachmittag an einem Juni-Werktag ergab.

Der erste Raucher kommt angelaufen und erblickt den Knatter-Knirps mit seinem Schild. Der Mann macht erst einmal einen Haken. Abstand halten. Nach kurzem Überlegen geht er dorthin, wo er herkam. In eine der drei Raucherecken an den Spitzen des Umsteige-Dreiecks. Dort qualmt er seine Zigarette fertig. Erst dann wagt er sich wieder Richtung Bahnsteige.

"So läuft das meistens", sagt Robert Apostel. Der Student steuert den Anti-Rauch-Roboter über Wlan mit seinem Smartphone. Das hat den Vorteil, dass er aussieht wie ein normaler wartender Fahrgast, der auf seinem Handy herumdaddelt. Man muss schon genau hinsehen, um zu bemerken, dass Swally gar kein Roboter mit pädagogischem Programm ist, sondern eher ein ferngesteuertes Auto.

Manchmal hilft auch Swallys treuherziger Blick nichts

Aber nicht jeder Einsatz von Robert und seinem Robocop gelingt. Als Swally zwei sehr junge und sehr coole Raucher ansteuert, entlockt er ihnen nur ein sehr müdes Lächeln. Sie lehnen weiter an der Wand, beide lassen ihre Kippe im Mund. Swally rollt näher heran und bleibt erst kurz vor ihren Füßen stehen. Die Herrschaften fangen an, das Schild zu lesen. Sie zucken mit den Schultern. Und rauchen weiter. Da hilft auch Swallys treuherziger Blick nichts. "In so einem Fall muss man es halt auch sein lassen", sagt Robert Apostel und dreht ab.

"Theoretisch könnten wir solche Leute vom Platz verbannen", sagt SWA-Sprecher Fergg, "wir haben hier das Hausrecht." Aber man wolle seine Fahrgäste ja nicht vor den Kopf stoßen.

Seit Mai ist Swally am Kö unterwegs. Die SWA sind mit ihrem neuen Mitarbeiter hochzufrieden: "Am dritten Tag hat schon kaum jemand mehr geraucht", sagt Jürgen Fergg, "und es liegen auch weniger Kippen herum." Es genüge sogar, die rollende Kiste zweimal pro Woche auszupacken. Ihre Wirkung dauere die ganze Restwoche über an. Positiver Nebeneffekt der sanften Roboter-Tour: Nie war die Stimmung besser auf den geschäftigen Bahnsteigen.

Es wird gelacht, gescherzt, geknipst. "An Tagen, wo Swally nicht unterwegs ist, kommen die Leute ins Kundenzentrum und fragen, wann er endlich wieder auftaucht", erzählt Dorothee Schäfer. Der Image-Gewinn für die Stadtwerke ist enorm, an einem Namensgeber-Wettbewerb beteiligten sich 2300 Bürger. Die Wahl fiel auf Swally. Das Kunstwort beinhaltet das Stadtwerke-Kürzel SWA und erinnert an den sympathischen Kino-Roboterhelden Wall-E.

"Einmal wurde Swally angegriffen"

Swally ist bereits das zweite innovative Gerät in Bodennähe, mit dem die SWA über die Stadtgrenzen hinaus Furore machen. Erst kürzlich berichteten Medien in den USA, Japan und Australien über Augsburgs Bodenampeln ("Bompeln"), die vor Trambahn-Übergängen alle Hans-guck-ins-Handys vor nahenden Straßenbahnen warnen.

Gebaut wurde Swally von den Brüdern Florian und Daniel Greiser vom gemeinnützigen Verein Open Lab. Sie haben für die Seifenkiste mit Elektromotor und Kettenantrieb dreieinhalb Monate oder 350 Arbeitsstunden gebraucht. Ehrenamtlich in ihrer Freizeit und zum Nulltarif. Der Aufwand für den Studenten und den IT-Azubi hat sich gelohnt, ihnen liegt bereits eine weitere Anfrage vor. Ein Berliner Unternehmen hätte gerne einen ähnlichen Promotion-Roboter. Diesmal wollen die Tüftler echtes Geld verlangen.

Die Stadtwerke Augsburg mussten nur das Material bezahlen. Reparaturkosten sind bislang auch nicht angefallen. "Es gab noch keine Tritte oder andere Übergriffe", sagt Jürgen Fergg. Er stutzt kurz, dann verbessert er sich: "Doch, einmal wurde Swally angegriffen." Von einem wild bellenden Hund.

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Quelle:
SZ vom 21.06.2016
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