Süddeutsche Zeitung

Freizeit:Mehr als Musik und Mozartkugeln

Lesezeit: 8 min

Zur Festspielzeit wird Salzburg zur Weltbühne von Klassik und Theater. Warum es sich lohnt, die Stadt auch jenseits von Felsenreitschule, Domplatz und Getreidegasse zu erkunden.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren, Salzburg

In Salzburg ist wieder Festspielzeit. Zu Pfingsten widmet man sich dort ganz dem Orpheus-Mythos und den "Leidenschaften der Seele". Die gute Nachricht für alle, die sich spontan ins Auto oder in den Zug setzen möchten: Es gibt noch Karten, man kann Festspielleiterin Cecilia Bartoli dabei bewundern, wie sie sowohl Orfeo also auch die Euridice singt. Generell aber gilt: Den Festspiel-Besuch in Salzburg, sei es zu Ostern, Pfingsten oder im Sommer, sollte man keinesfalls nur in dunklen Konzertsälen verbringen. "Die Stadt ist ein Kunstwerk, die Natur ist ein Wunder", musste selbst Thomas Bernhard, der leidenschaftlichste aller Salzburg-Hasser, eingestehen. Er hat Gäste sehr gerne, aber nur maximal eine Dreiviertelstunde durch die Stadt geführt. Dann reichte es ihm gründlich. Wir empfehlen sehr, sich deutlich mehr Zeit zu nehmen. Es gibt viel zu sehen.

Goldene Regeln

Aber zunächst die Musik: Um die Kartenpreise für die Salzburger Festspiele ranken sich in etwa so viele Erzählungen wie um den Orpheus-Mythos: unverschämt teuer, kaum zu bekommen, und wenn dann nur in "Packages" inklusive Aufenthalt in Hotels der Vier- und Fünfstern-Kategorie. Stimmt alles, und auch wieder nicht. Natürlich kann man als Normalverdiener an einem einzigen Festspieltag ein halbes Monatsgehalt loswerden, aber das muss nicht sein. So früh als möglich buchen, Karten wie Hotel, eine Binsenweisheit. Das machen eh alle, für die zu Ostern, zu Pfingsten oder im Sommer die Klassik-Sonne allein über Salzburg aufgeht. Alle anderen aber sollten auf die österreichische Westbahn oder das 49-Euro-Ticket der DB setzen für die kurze Passage zwischen München und Salzburg.

Sie sollten gelassen ihr Glück versuchen und die "goldenen Regeln der Veranstalter beachten, um die Festspiele günstig oder gar kostenlos zu erleben: Beispielsweise die berühmte Liste der verfügbaren Karten abrufen, die sowohl auf der Website als auch in den Salzburger-Ticketbüros ständig aktualisiert wird. Für alle "User" unter 27 Jahren gibt es über die Ticket Gretchen App Ermäßigungen von bis zu 90 Prozent. Stehplätze für die notorisch ausverkaufen Vorstellungen von " Jedermann " im Sommer werden tagesaktuell für den Verkauf freigegeben. Und von Juli an gibt es am Kapitelplatz täglich auf Videoleinwand die Siemens Festspielnächte mit neuen und alten Festspielproduktionen. Ganz kostenlos. Nur für den Wein muss man bezahlen. czg

Salzburger Festspiele, Karten unter www.salzburgfestival.at , Telefon 0043/6628045, Kartenbüro: Herbert-von-Karajan-Platz 11

Süßes und Heißes zur Stärkung

Tomaselli, Sacher, Bazar, Café Mozart - Salzburgs Mehlspeisen- und Kaffee-Tempel sind legendär, wer da noch zu Mozartkugeln greift, dem ist nicht zu helfen. Es ist immer am Schlausten, dem Rat von Einheimischen zu folgen. Der Neu-Salzburger Jonas Kaufmann etwa schwor schon, da war er noch Münchner beziehungsweise Herrschinger, auf die Schaumrollen und Kardinalschnitten der "Konditorei Schatz". Seit 1877 wird dort höchste Patisserie-Kunst zelebriert. Das Café im Familienbetrieb liegt im sogenannten Schatz-Durchhaus, das von der Getreidegasse zum Universitätsplatz führt. Hat man einen der Plätze vor der Tür ergattert, kann man bei all den süßen Schatz-Schätzchen auch wunderbar Leute beobachten und die Hektik der Salzburger Altstadt fast vergessen. Den besten Kaffee der Stadt gibt's allerdings im "220Grad" im Museum Rupertinum im Festspielbezirk. Familie Macheiner, die vor 15 Jahren ihr erstes Café samt Rösthaus in der Chiemseegasse im Kaiviertel eröffnete, betreibt auch das Café "220 Grad" in Nonntal. Wer einmal eine ihrer unglaublichen Röstungen als Mitbringsel aus Salzburg verschenkt hat, kommt aus der Nummer schwer wieder raus - oder verweist am besten auf den Online-Shop von "220Grad". czg

"Konditorei Schatz" , Getreidegasse 3 A, "220Grad" im Museum Rupertinum, Wiener-Philharmoniker-Gasse 9 oder Nonntaler Hauptstraße 9A

Wo kleine Figuren groß aufspielen

Große Auftritte haben die Fadenspieler vom Salzburger Marionettentheater, dessen Spielpraxis seit 2016 zum Immateriellen Kulturerbe Österreichs zählt, bereits in Paris, in Japan und in der Carnegie Hall in New York absolviert. Zu den Fans der Oper- und Musiktheateraufführungen in dem im Barockstil gehaltenen Figurentheater, das seit 110 Jahren besteht und in der Altstadt zwischen Salzburger Landestheater und Mozarteum gelegen ist, zählt auch Jonas Kaufmann. Den Startenor bildeten der künstlerische Leiter Philippe Brunner und sein Team dort sogar als Marionette nach, um ihn in einem Musikvideo zu Kaufmanns Weihnachts-CD "It's Christmas" auftreten zu lassen. Die Puppen spielen auch wieder groß auf, wenn jetzt Ludwig von Beethovens einzige Oper "Fidelio" in Thomas Reicherts puristischer Inszenierung auf die Bühne des Salzburger Marionettentheaters zurückkehrt. Die Musik stammt von einer historischen Aufnahme der Deutschen Grammophon aus dem Jahr 1957, eingespielt vom Bayerischen Staatsorchester. Unter den fingerfertigen und teils sichtbaren Marionettenspielern, die die Geschicke der Figuren aus einer Höhe von zwei Metern an feinen Angelschnüren lenken, ist auch wieder Philippe Brunner. by

Fidelio, 26. Mai, 7. Juni, 27. Juli und 10. August, 19.30 Uhr, Salzburger Marionettentheater , Schwarzstraße 24

Einzigartige Museen

Salzburg hat beeindruckende Museen. Zwei ganz unterschiedliche sind das Museum der Moderne und das Museum der verlorenen Generation: Ersteres thront unübersehbar, 60 Meter hoch über der Altstadt auf dem Mönchsberg. Wer den Aufstieg nicht für einen Spaziergang durchs Grüne nutzen will, den befördert der Mönchsberg-Aufzug in nur 30 Sekunden nach oben. Allein die Terrasse mit dem wunderbaren Ausblick ist einen Besuch wert. Das Museum wartet mit zeitgenössischen Ausstellungen internationaler Künstlerinnen und Künstler auf. Derzeit gibt die zwei Etagen einnehmende Ausstellung "Stepping Out! Female Identities in Chinese Contemporary Art" einen eindrucksvollen Einblick in die Produktion chinesischer Künstlerinnen der Gegenwart seit den späten Achtzigerjahren (bis 26. Juni). Zudem ist dort noch bis 8. Oktober der zweite Teil von "We Rise by Lifting Others" der italienischen Künstlerin Marinella Senatore, die aktuell auch in der Villa Stuck in München ausstellt, zu sehen. Für ihre Parade "The School of Narrative Dance", die am 24. Juni durch die Salzburger Altstadt ziehen wird, kann man sich noch bewerben. lyn

Museum der Moderne , Mönchsberg 32, Di.-So. 10-18 Uhr

Gar nicht leicht zu finden ist das Museum der verlorenen Generation, obwohl es quasi um die Ecke vom Festspielhaus an der Sigmund-Haffner-Gasse im um 1300 erbauten "Steinhauserhaus" liegt. Eine Treppe führt hinauf in ein kleines Palais mit Lichthof und Säulen. Heinz R. Böhme, Jahrgang 1932, ein pensionierter Medizin-Professor, der auch in München tätig war, hat hier sein Herzensprojekt realisiert: Seit den Achtzigerjahren sammelt er Werke von Künstlern, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, viele von ihnen komplett vergessen. In seinem gemeinnützigen Privatmuseum soll ihnen nun die Anerkennung zukommen, die ihnen zu Lebzeiten verwehrt wurde. Die aktuelle Sonderausstellung widmet sich noch bis September den Schülern aus Max Beckmanns Meisterklasse. czg

Museum der verlorenen Generation, Sigmund-Haffner-Gasse 12, Di.-Sa., 10-17 Uhr

Auf den Spuren Stefan Zweigs

Von Petrópolis in Brasilien, wo sich Stefan Zweig 1942 das Leben nahm, ist es sehr weit nach Salzburg. Dort, auf dem Residenzplatz hatten sie 1938 seine Bücher verbrannt. Dort hatte der gebürtige Wiener ein Leben zurückgelassen - und seine Villa. Am ehemaligen Jagdschlösschen aus fürstbischöflichen Besitz dürften viele Salzburg-Besucher schon vorbeigekommen sein, ohne es zu wissen: Von der Linzer Gasse geht es durch einen Torbogen sehr steil den Kapuzinerberg hinauf. Mitten im Hang, hinter der Gartentür mit der Hausnummer 5, liegt das herrschaftliche Haus, das sich heute im Besitz von Wolfgang Porsche befindet. Dort war Zweig 1919 eingezogen, hatte sich gemeinsam mit seiner ersten Frau ein Heim geschaffen und an die 200 000 Manuskriptseiten verfasst. Ruhe, Rückzug suchte er in der "Villa Europa", wie er sie nannte. Wobei ihm Max Reinhardt schon 1920 einen Strich durch die Rechnung machte, als er Salzburg zum Schauplatz seiner Festspiele wählte - und die Kulturtouristen in die Stadt strömten. Weshalb Zweig fortan während des Sommers die Flucht ergriff. Mit dem wunderbaren Bändchen "Das Salzburg des Stefan Zweig" kann man den Spuren des Schriftstellers in der Stadt folgen. Vom Kapuzinerberg hinüber zum Mönchsberg, wo in der Edmundsburg zu Stefan Zweig geforscht wird, und es Lesungen und Ausstellungen gibt. czg

"Das Salzburg des Stefan Zweig", Edition A B Fischer, 48 Seiten, weitere Literaturempfehlung: George Prochnik: Das unmögliche Exil. Stefan Zweig am Ende der Welt, C.H. Beck, München

Die Gämsen auf dem Kapuzinerberg

Die wenigsten haben sie selbst gesehen. Sie sind die kleinen, gehörnten Geister des Kapuzinerberges. Plagegeister, finden manche Anwohner des Ortsteils Schallmoos. Denn dorhin steigen die Gämsen von ihrem Stammplatz an der 20-Meter-Felswand über der Linzer Gasse in kargen Wintern gerne ab und "fressen in den Gärten alles zam". Es sollen schon Schüsse gehört worden sein. Genau weiß niemand, wie viele Gämsen auf dem Kapuzinerberg leben, nicht mal Stadtjäger Sepp Wieser, der sie zufüttert. Dabei bleiben die Alpentiere wild, einzigartig mitten in einer Stadt in Europa. Sechs bis zwölf dürften es sein, seit sich ein einzelner Bock hierher 1948 verirrt hatte und man ihm eine halbzahme Geiß zur Gesellschaft gegeben hatte. 2022 kam "zur Blutauffrischung" eine weitere Gams namens Miriam aus einem Karlsruher Zoo dazu, man hat sie eine Weile im Salzburger Zoo an das vorherrschende Idiom gewöhnt. Der Ausflug über die vielen mal mehr, mal weniger Flip-Flop-tauglichen Wege mit Ausblicken ins ferne Bayern (Norden) und dem besten Blick zur Festung Hohensalzburg (am Wehrgang) hinauf zum Franziski-Schlössl ist immer eine Reise in die Natur mitten in der Stadt zu Rehen, Dachsen, Füchsen, Mardern und Uhus. Die sieht man wie die Gämsen am ehesten frühmorgens in der Dämmerung, verrät die Bedienung eines Cafés. zir

Architekturhaus

Wandel gibt es auch in der ewigen Mozartstadt: Der Backsteinbau aus der Gründerzeit, in dem sich das "Architekturhaus" befindet, wurde 1893 als Pferdestall errichtet und, als man dann weniger hoch zu Ross unterwegs war, als Depotgebäude der einstigen Riedenburgkaserne genutzt. 2018 widmete man es in einen zentralen Ort der Architekturvermittlung um, in dem es stets um Bauten, Stadt-, Regional- und Landschaftsplanung geht. Anlässlich des Großprojekts "Festspielbezirk 2030" ist dort im Moment die viel beachtete Ausstellung des Deutschen Architekturmuseums (DAM), Frankfurt am Main zu europäischen Bühnenbauten zu sehen. Die ursprünglich parallel zur Diskussion über die Zukunft der Städtischen Bühnen Frankfurt am Main entwickelte Schau "Große Oper - Viel Theater?" vergleicht europäische Projekte der letzten Jahre. Darunter ist auch das für München geplante Konzerthaus im Werksviertel. her

Architekturhaus, Sinhubstr. 3, Telefon 0043/662/87986711; Di.-Fr., 12-17 Uhr; Ausstellung "Große Oper - Viel Theater?", noch bis Do., 27. Juli (am 2. Juni geschlossen)

Spaziergang Leopoldskron

Wenn Julie Andrews ihre Lieder von den Hügeln, die mit Musik erfüllt sind, schmettert, haben Millionen von Fans nur ein Bild vor Augen: das von Schloss Leopoldskron. Der hier gedrehte Filmklassiker "Sound of Music" machte das Anwesen bei Salzburg in den Sechzigerjahren schlagartig international berühmt. Bekannt bei Theaterfreunden war das Schloss schon vorher, denn in den Zwanziger- und Dreißigerjahren hatte Europas seinerzeit berühmtester Theaterimpresario und Mitbegründer der Salzburger Festspiele, Max Reinhardt, das Schloss mit seinem prachtvollen Marmorsaal und seinem zauberhaften Park zu neuem Leben erweckt. Heute kann man als Hotelgast oder Seminarteilnehmer der NGO "Salzburg Global Seminar" in eben jenem Marmorsaal mit Blick über die Terrasse und die Seepferdchen auf den Leopoldskroner Weiher frühstücken, in der berühmten Bibliothek Reinhardts schmökern und einen Blick in sein Arbeitszimmer werfen. Wer nicht Hotel- oder Seminargast ist, darf den Park zumindest bei den Sommerinszenierungen von "Shakespeare im Park" des Salzburger Landestheaters erleben (noch am 1. und 5. Juni). Nur einmal im Jahr, im November, dürfen alle auch drinnen vorbeischauen. Dann öffnet sich das Schloss für einen "Tag der Offenen Tür". Die Runde um den Leopoldskroner Weiher mit Blick auf das Schloss, den gibt es hingegen 365 Tage im Jahr. lyn

Sternenkino am Fuße der Burg

Mit Popcorn oder einem Bier in der Hand unter freiem Himmel einen Film schauen, das kann man beim Sternenkino, mitten in der Salzburger Altstadt. Am Kapitelplatz, zwischen Dom und Festungsberg, werden an zehn Sommerabenden Kinoklassiker aller Genres gezeigt. Dort, wo tagsüber Touristengruppen den Blick auf die Festung bestaunen, breiten dann abends Menschen Picknickdecken vor der großen Leinwand aus oder klappen ihre Campingsessel auf. Wer mag, bringt Getränke und Snacks selbst mit, wer es lieber gemütlich hat, holt sich etwas von den Streetfood-Ständen vor Ort. Der Geldbeutel leidet unter dem Kinoabend übrigens nicht: Der Eintritt ist kostenlos. asts

Sternenkino Salzburg , 23.6. bis 2.7., Kapitelplatz Salzburg, zumeist ab 20 Uhr, Infos unter www.sternenkino-salzburg.at

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5883597
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.