Süddeutsche Zeitung

Querdenker-Szene:Regierung untersagt heimlichen Schulbetrieb

Lesezeit: 2 min

Es besteht der Verdacht, Menschen aus dem Querdenker-Milieu hätten sich bei Rosenheim ihre eigene Schule eingerichtet - fernab staatlicher Aufsicht und Genehmigungen.

Von Matthias Köpf, Schechen

Ganze Scharen von Kindern und Jugendlichen im besten Schüleralter, das kam einigen Anwohnern Ende vergangener Woche seltsam vor. Die vielen Kinder hätten zu dieser Zeit wohl in der Schule sein sollen, und eine Schule ist dieser alte, zuletzt lange verlassene Bauernhof bei Deutelhausen in der Gemeinde Schechen sicher nicht - zumindest keine Schule, die vom Staat selbst betrieben oder als Privatschule genehmigt wäre. Es steht der Verdacht im Raum, Menschen aus dem Querdenker-Milieu hätten sich da ihre eigene Schule eingerichtet - fernab der staatlichen Aufsicht. Am Mittwoch haben die Regierung von Oberbayern und der Landkreis Rosenheim dieser Schule mit sofortiger Wirkung den Betrieb untersagt.

Die Bescheide richten sich nach Angaben der Regierung gegen "eine private Vereinigung" sowie gegen eine Person, die nicht mehr als Lehrerin und Leiterin dieser Schule auftreten darf. Auch die Eigentümer und Mieter des Hofes bekamen Bescheide, denn der heimliche Schulbetrieb auf dem maroden Anwesen verstieß demnach ferner gegen das Baurecht.

Die Regierung von Oberbayern und das Rosenheimer Landratsamt gehen nach eigenen Angaben derzeit davon aus, dass auf dem Gelände insgesamt rund 50 Kinder und Jugendliche unterrichtet worden sind, die altersgemäß in die erste bis neunte Klasse gehören würden.

Private Schulen bedürften einer staatlichen Genehmigung, heißt es in der Mitteilung weiter. Diese Genehmigung hänge unter anderem davon ab, ob die Schule "in ihren Lehrzielen, ihren Einrichtungen und der Ausbildung ihrer Lehrkräfte den öffentlichen Schulen entspricht". Die aufgeflogene Untergrund-Schule in Schechen sei wohl weder genehmigungsfähig gewesen noch habe es überhaupt einen entsprechenden Antrag gegeben.

Dass die vielen Kinder auf dem Hof zur üblichen Schulzeit nicht in einer richtigen Schule waren, hätte für sich allein genommen noch nichts heißen müssen. Denn Eltern, die ihren Kinder die regelmäßigen Corona-Tests in der Schule nicht zumuten wollen oder die vorerst bis 1. Oktober geltende Maskenpflicht in den Schulen ablehnen, können ihren Nachwuchs nach wie vor vom Präsenzunterricht abmelden. Die Schulpflicht müssten diese Kinder dann ersatzweise per Fernunterricht erfüllen.

Zunächst war auch dem Landratsamt nach eigenen Angaben nicht klar, ob sich auf dem Hof in Deutelhausen nur eine private Lerngruppe zum gleichzeitigen Distanzunterricht traf oder ob Eltern da irgendeine Form gemeinsamer Kinderbetreuung eingerichtet hatten. Ein Anwohner will laut dem Oberbayerischen Volksblatt aber ein Gespräch mit einem Erwachsenen von dem Hof geführt haben, in dem von Unzufriedenheit mit "dem System" und dem Aufbau einer eigenen Schule die Rede war.

Das Milieu für eine solche Gründung gibt es im Raum Rosenheim durchaus. Querdenker-Demonstrationen hatten dort in den vergangenen Monaten immer wieder regen Zulauf. Auch die für viele Querdenker typische Impfskepsis ist in der Region weit verbreitet. So lag der Landkreis schon vor der Pandemie bei vielen Impfungen bayernweit immer wieder auf dem letzten Platz.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5418413
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.09.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.