Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bad Reichenhall:Kurbad in Schräglage

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Von wegen kein Wald vor lauter Bäumen: Wer fit und trittsicher genug ist, kann an den Hängen des Hochstaufen neuerdings zum Bergwaldbaden aufsteigen.

Glosse von Matthias Köpf, Bad Reichenhall

Es ist schon eine Weile her, dass die Reichenhaller nicht bloß den Ast abgesägt haben, auf dem sie saßen, sondern gleich den ganzen Wald. Das viele Holz haben sie in ihrer Saline verheizt, um so das Salz aus der Sole zu sieden. Ab dem 17. Jahrhundert musste dann holzhalber ein großer Teil der Sole zur neuen Saline nach Traunstein geleitet werden, später noch weiter nach Rosenheim. Vermutlich deswegen gibt es inzwischen wieder Bäume in Bad Reichenhall. So viele sind es aber auch wieder nicht, dass man dort den Wald nicht mehr sähe. Denn den gibt es nämlich ebenfalls wieder, nur befindet er sich, von der freizeitsportlich und gassigängerisch sehr beanspruchten Au an der Saalach mal abgesehen, überwiegend in Schräglage. Doch die Reichenhaller sitzen wirtschaftlich längst auf einem neuen Ast und greifen dafür neuerdings auch wieder auf diesen Wald zurück: In Deutschlands angeblich erstem und einzigem zertifizierten Bergkurwald können die soleschnaufenden Kurgäste jetzt zum Bergwaldbaden aufsteigen.

Eine gewisse Grundfitness und Trittsicherheit brauche es dafür schon, sagt eine Wissenschaftlerin vom Münchner Uni-Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, der sich selbst zur Zertifizierungsinstanz für derlei Kurwälder aufgeschwungen und nun eben auch jenen Wald an den Hängen des Hochstaufen für badetauglich befunden hat. "Weil er die Besonderheiten eines alpinen Waldes mit dessen gesundheitsförderlichen Wirkungen perfekt kombiniert", heißt es, denn dort gebe es eine "eindrucksvoll geformte Bodenoberfläche", gute Luft sowie Ruhe und Natürlichkeit. Das mit der Ruhe könnte sich durch die erhofften Massen an Bergwaldbadenden aber noch ändern.

Und auch die Reichenhaller selber müssen zusehen, wie sie noch in den Wald kommen. Denn im angestammten Ausflugsgebiet ganz in der Nähe des Bergkurwalds wollen auch ein paar vermögende Grundeigentümer ihre Ruhe haben und schotten sich mit Schildern und Zäunen vor Wanderern und Mountainbikern ab. Drüben auf der anderen Seite hat die Bundeswehr das Kirchholz vom "militärischen Bereich" zum "militärischen Sicherheitsbereich" umdeklariert und so Spaziergänger ausgesperrt. Und nach dem Kurwald kann ja auch noch was kommen. Etwa Ruhe in Frieden: Im Herbst hat sich eine Reichenhaller Delegation im Elmauer Tal schon mal den Begräbniswald der Staatsforsten angeschaut.

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