Süddeutsche Zeitung

Wolbergs-Prozess:80 000 Euro und eine Unterschrift

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Von Andreas Glas, Regensburg

Er sitzt still da an diesem Donnerstag, zweieinhalb Stunden lang. Dann platzt ihm der Kragen. "Völlig idiotisch, was die Staatsanwaltschaft da angezettelt hat", blafft Joachim Wolbergs. Der Richter fährt dazwischen. "Diese Aussage", sagt Georg Kimmerl, "können Sie so nicht treffen. Wenn Sie das noch mal machen, müssen Sie mit Maßnahmen rechnen." "Nämlich?", fragt Wolbergs. Verwarnung, dann Bußgeld, "es gibt halt gewisse Regeln", sagt Kimmerl. Ob zu den Regeln gehöre, "dass die Staatsanwaltschaft mich als korrupt bezeichnen darf?", fragt Wolbergs. Nein, sagt der Richter, "solange es kein Urteil gibt, nicht".

Seit Oktober läuft der zweite Korruptionsprozess gegen Regensburgs suspendierten Oberbürgermeister Wolbergs. Ein Urteil ist noch lange nicht in Sicht. Vier Themenkomplexe umfasst der Prozess. Seit vier Prozesstagen geht es um den ersten Komplex: den Bau einer Industriehalle im Stadtosten. Bauherr ist die Firma Schmack Immobilien, die Baugenehmigung hat OB Wolbergs persönlich unterschrieben, im Herbst 2016. Lange bevor er unterschrieb, überwiesen die Brüder Ferdinand und Martin Schmack und deren Firmen insgesamt 80 000 Euro an den SPD-Ortsverein Stadtsüden. Das Geld floss, als Wolbergs Vereinsvorsitzender war - neun Einzelspenden zwischen 7100 und 9500 Euro. Die Öffentlichkeit bekam davon nichts mit, da Parteien nur Spenden ab 10 000 Euro offenlegen müssen. Verdecktes Schmiergeld? Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Sie hat Wolbergs wegen Vorteilsannahme angeklagt, die Schmack-Brüder wegen Vorteilsgewährung.

Am 31. März 2014 ließen die Schmack-Brüder dem OB eine Liste mit ihren Bauprojekten zukommen, am Tag nachdem Wolbergs zum Oberbürgermeister gewählt worden war. Überschrift: "OB-Liste." Zwölf Punkte führten die Schmacks auf, jeweils mit "To Do" markiert. Das höre sich "blöd an, hat aber rein gar nichts zu bedeuten", sagte Wolbergs zu Prozessbeginn. Um Wohnraum und Arbeitsplätze zu schaffen, müsse ein OB die Interessen von Investoren kennen. Er habe die Baugenehmigung nicht wegen der Spenden unterzeichnet, sondern im Interesse der Stadt. So ähnlich sagt es Wolbergs immer wieder.

Die Staatsanwälte sehen das anders. Denn im Normalfall unterschreibt nicht der OB die Baugenehmigungen, sondern ein Mitarbeiter des Bauordnungsamtes. Wieso lief das bei der Industriehalle anders? "Aus meiner Sicht war die Baugenehmigung nicht genehmigungsfähig", sagte der Amtsleiter auf Nachfrage des Richters. Es habe keinen Bebauungsplan gegeben, "darum habe ich nicht unterschrieben". Planungsreferentin Christine Schimpfermann hatte ihre Unterschrift ebenfalls verweigert, aus Gründen des Lärm- und Naturschutzes, sagte sie bei ihrer Zeugenaussage. Und was sagt Wolbergs? Er habe zwei Möglichkeiten gehabt: "die passive Einstellung des Planungsreferats zu akzeptieren und den Wirtschaftsstandort Regensburg zu schwächen" oder "die Verantwortung für den Bau der Halle allein zu übernehmen, im öffentlichen Interesse".

Als Wolbergs die Genehmigung unterschrieb, liefen bereits Ermittlungen gegen ihn wegen fragwürdiger Spenden. War es da nicht erst recht heikel, zu unterschreiben? "Die Bürgerinnen und Bürger haben mich nicht gewählt, damit ich Ermittlungsverfahren aussitze, sondern weil sie mir zutrauen, die prosperierende Stadt weiter vorwärtszubringen", sagt Wolbergs. Nicht die To-do-Liste habe ihn zur Unterschrift bewogen, sondern der Zeitdruck der Firmen, die schnell in die Halle einziehen wollten - darunter Zulieferer für BMW und Continental, zwei der wichtigsten Arbeitgeber in Regensburg.

Mit der Baugenehmigung habe er die Wirtschaftspolitik seines Vorgängers "fortsetzen" wollen, sagt Wolbergs. Man muss wissen: Neben der Industriehalle steht eine zweite Halle, die noch unter Ex-OB Hans Schaidinger (CSU) genehmigt wurde. Auch für diese Halle gab es keinen Bebauungsplan, auch damals herrschte in der Verwaltung "breite Ablehnung", wie die frühere Planungsamtschefin Ute Hick-Weber vor Gericht sagte. Trotzdem genehmigte das Bauordnungsamt die Halle, so steht es in der Anklage. Schaidinger habe eine "einsame Entscheidung qua Weisung" getroffen, sagt Wolbergs. Über seine eigene Entscheidung sagt er das nicht. Zwar gab es Bedenken der Verwaltung, doch sei es "der einstimmige Wunsch" der Koalition im Stadtrat gewesen, "dass die Logistikhalle zeitnah verwirklicht wird".

Rückendeckung bekommt der OB von FDP-Stadtrat Horst Meierhofer. Über die Haltung der Koalition sagte er: "Der politische Wille war definitiv da." Auch er selbst sei dem Hallenbau "positiv gegenüber gestanden", als die Koalition am 25. Juli 2016 über die Genehmigung beriet. "Aber der Rest", sagt Meierhofer, "ist dann eine Frage für die Juristen". Der Rest, damit meint er Wolbergs' Unterschrift. Er sei zwar für den Bau gewesen, sagt Meierhofer, "aber ich glaube nicht, dass ich gesagt habe: Unterschreib halt!" Stadträtin Tina Lorenz (Piraten) verneint dagegen, dass sie die Genehmigung in der Koalitionssitzung im Juli 2016 unterstützt habe. Die Sitzung sei "seltsam" gewesen, Wolbergs "in Rage". Sie habe das Gefühl gehabt, "dass irgendwas nicht richtig läuft". Wirtschaftsreferent Dieter Daminger sprang dem OB wiederum bei. "Ich bin dafür gewesen, dass die Halle schnell realisiert wird", sagte er vor Gericht. Wäre der Bau nicht genehmigt worden, "hätten sich die Firmen andere Standorte gesucht".

Alles zum Wohle der Stadt? Alles im Rahmen des Gesetzes? Das sind die Fragen, die das Gericht klären soll. Die kniffligste Frage dürfte aber sein, ob die Spenden eine Rolle spielten, als der OB die Baugenehmigung unterschrieb. "Hanebüchen", sagt Wolbergs. Auch die Schmack-Brüder weisen alle Korruptionsvorwürfe zurück. Deren Verteidiger betonen, dass die Spenden allesamt flossen, als Wolbergs noch nicht OB war - und verweisen auf das Urteil im ersten Korruptionsprozess. Im Juli hatte eine andere Strafkammer den OB und einen mitangeklagten Bauunternehmer von allen Vorwürfen freigesprochen, bei denen es um Spenden ging, die Wolbergs bis zu seinem Amtsantritt am 1. Mai 2014 bekam. Die Begründung: Da Wolbergs zuvor lediglich dritter Bürgermeister war, habe er mangels Befugnis gar keinen Einfluss auf Bauprojekte nehmen können. Auch die Schmack-Brüder spendeten noch bevor Wolbergs sein Amt als OB antrat.

Am 18. Dezember geht der Prozess weiter. Dann steht die Aussage des Bauunternehmers Thomas D. auf dem Programm. Er hat bereits einen Strafbefehl wegen Bestechung des OB akzeptiert - und gilt nun als wichtigster Belastungszeuge der Staatsanwaltschaft.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2019
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