Süddeutsche Zeitung

Regensburg:Die bayerische SPD arbeitet an ihrem Untergang

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Der Regensburger Oberbürgermeister und ein ehemaliger Landtagsabgeordneter sitzen in U-Haft, die Jusos rebellieren gegen ihren Bezirkschef. Bei der SPD tun sich in diesen Tagen Abgründe auf.

Kommentar von Sebastian Beck

Ginge es um den Landtag und nicht um den Stadtrat Regensburg, dann wäre es jetzt Zeit für die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen: Der Regierungschef einer großen Koalition sitzt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit in U-Haft - ein schlimmeres Szenario ist kaum vorstellbar.

Leider schließt das Kommunalrecht die vorzeitige Neuwahl des Stadtrats aus. Deshalb muss in Regensburg die große Koalition der Vertuscher und Wegseher noch bis 2020 weitermachen. Allenfalls der Oberbürgermeister könnte freiwillig aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten oder zwangsweise, wenn er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt würde.

Für Wolbergs, das ist klar, gilt die Unschuldsvermutung. Klar ist auch, dass die Staatsanwaltschaft gute Argumente hat und haben muss, um einen Haftbefehl gegen einen amtierenden Oberbürgermeister zu beantragen. Der Stadtrat hingegen hat sich für die Aufklärung der Vorgänge bisher nicht interessiert.

Auch Teile der Regensburger Presse nahmen vor allem diejenigen ins Visier, die kritische Fragen zur Rolle der SPD und ihres Oberbürgermeisters stellten. Dabei tun sich in der Regensburger Lokalpolitik Abgründe auf, die in Bayern beispiellos sind und bisher nur in jenen Staaten vermutet wurden, die auf der Korruptionsskala weit oben rangieren.

Den SPD-Landesverband trifft die Nachricht von der Verhaftung Wolbergs' zum ungünstigsten Zeitpunkt. Die Sozialdemokraten brauchen dringend überzeugendes Führungspersonal, Ideen, und ein paar Wähler mehr wären bei 14 Prozent in den Umfragen auch nicht schlecht.

Außer Wolbergs sorgte zuletzt vor allem ihr früherer Landtagsabgeordneter Linus Förster für Aufsehen, der ebenfalls in U-Haft sitzt - wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs und des Besitzes von Kinderpornografie. Die Jusos wiederum erteilten dem oberbayerischen SPD-Bezirkschef Ewald Schurer Hausverbot.

Ein Zyniker könnten sagen: So arbeiten in der SPD eben alle Hand in Hand, um gemeinsam unterzugehen.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2017
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