Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Nürnberg leuchtet nicht

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Die Landeshauptstadt wird gefeiert für ihre Isarphilharmonie. In der zweitgrößten Stadt Bayerns schaut man derweil in die Röhre. Und wer ist schuld? Jedenfalls nicht die anderen.

Von Olaf Przybilla

In einem SZ-Gespräch ist Ulf Klausenitzer 2012 der Kragen geplatzt. 31 Jahre lang war Klausenitzer Mitglied des Bayreuther Festspielorchesters, sechs Jahre als deren Vorstand, mit der musikalischen Infrastruktur in Bayern ist er einigermaßen vertraut, könnte man untertreibend sagen. Sein Thema damals: die, wie er es formulierte, "Frankenfalle".

Klausenitzer stammt ursprünglich aus Hessen, lange habe er es deshalb nicht für möglich gehalten, wie ein "einst stolzer Volksstamm" die angestammte "Rollenverteilung" in Bayern "über Generationen duldsam" ertrage. Für ihn, den Geiger und Dirigenten Klausenitzer, sei Franken zum "Synonym für Provinzialität" geworden. In München lebe man eine "Champions-League-Mentalität", nicht zuletzt auch in seiner Sparte, der klassischen Musik. Orchester in Nürnberg dagegen kämpften dagegen, nur als Durchgangsstation verstanden zu werden - trotz einer enormen musikalischen Stadthistorie.

In München war damals gerade die Diskussion um einen neuen Konzertsaal entbrannt. Und Klausenitzer schnaubte: Er wünsche München alles Mögliche, "gerne auch zwei neue Konzertsäle". Die historische Musikstadt Nürnberg dagegen habe nicht mal einen einzigen "halbwegs akzeptablen".

Neun Jahre später wird man feststellen dürfen: Der Mann hat mit seiner Rede wider die Asymmetrie nicht richtig viel bewirkt. Aber prophetische Kraft darf man ihm schon nachsagen. Zwei neue Konzertsäle? Die Musikwelt feiert gerade die Isarphilharmonie, rapide, praktisch, gut. Im Werksviertel entsteht Großes. Am Gasteig ebenso. Klausenitzer, Ironie einer Wutrede, dürfte unterm Strich also eher unter- als übertrieben haben.

Und Nürnberg? Stichwort "Frankenfalle": Als der Freistaat die Geldbörse geöffnet hat im Sinne der Gerechtigkeit, debattierte und plante die Stadt - und entschied sich am Ende für einen stadtpolitisch einigermaßen risikoarmen, aber leidlich ungeeigneten Ort für ein neues Konzerthaus. Dann kam die Pandemie. Leidenschaft für einen Saal an einer Ausfallstraßenkreuzung war eh keine da. Und also wurde der Plan auf Eis gelegt.

Ergebnis: Nürnberg wird noch für sehr lange Zeit nicht einen einzigen "halbwegs akzeptablen" Saal haben. Die Dirigenten der beiden großen Nürnberger Orchester - Stichwort "Durchgangsstation" - sind auf dem Absprung. Und München leuchtet.

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