Süddeutsche Zeitung

Atomkraftwerk in Bayern:Die Zeit für Isar 2 läuft ab

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Laut dem Kraftwerksbetreiber muss bis Ende Mai eine Entscheidung über die Laufzeitverlängerung fallen - doch die Bundesregierung winkt ab.

Von Andreas Glas, München

Für eine Laufzeitverlängerung des Kernkraftwerks Isar 2 bei Landshut könnte es bald zu spät sein. In einer Expertenanhörung im Landtag sagte Standortleiter Carsten Müller am Donnerstag, dass sich die Politik bis Ende Mai entscheiden müsse - danach könne das Kraftwerk, das planmäßig Ende 2022 abschalten soll, "nicht mehr umsteuern". Es sei "höchste Eisenbahn", sagte Müller, der für die Eon-Tochter Preussen-Elektra arbeitet, die Isar 2 betreibt.

Noch könne genug Uran beschafft und nötiges Personal aus anderen, stillgelegten Kraftwerken nach Bayern geholt werden. Es brauche allerdings Zeit, dies zu organisieren, sagte Müller. "Wenn diesen Monat keine Entscheidung kommt, sind aus unserer Sicht Fakten geschaffen, die irreversibel sind."

Der Hintergrund für die Expertenrunde im Landtag: Seit einigen Wochen fordert die Staatsregierung, die drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke weitere drei bis fünf Jahre laufen zu lassen und das für Ende 2022 geplante Ende der Kernenergie aufzuschieben. Darin sehen CSU und Freie Wähler die Chance, die Energiekrise zu dämpfen und schneller unabhängig zu werden von Gaslieferungen aus Russland. Eigenmächtig kann Bayern den Atomausstieg allerdings nicht verschieben. Nur der Bund könnte das regeln.

Eine nicht gerechtfertigte "Risikoerhöhung"

Die Bundesregierung wiederum erteilte den Forderungen aus Bayern am Donnerstag erneut eine Absage. "Wir sehen in einer Laufzeitverlängerung eine Risikoerhöhung, die angesichts der Stromversorgungssituation nicht gerechtfertigt ist", sagte Gerrit Niehaus, Abteilungsleiter für Nukleare Sicherheit im Bundesumweltministerium. Er sieht Unwägbarkeiten, da bestimmte, auf die Zeit nach 2022 gerichtete Sicherheitsüberprüfungen der Kernkraftwerke wegen des geplanten Automausstiegs schon länger nicht mehr durchgeführt wurden. Da diese Prüfungen sich im Normalfall über mehrere Jahre strecken, könne man sie kurzfristig nicht einfach nachholen, sagte Niehaus.

Man könne die Sicherheitsüberprüfungen auch "jetzt noch" machen, "im laufenden Betrieb", sagte dagegen Ludwig Kohler, Atom-Abteilungsleiter im Umweltministerium. Die Staatsregierung stehe "ohne Wenn und Aber zum Ausstieg", doch gehe es um eine "Notsituation".

Die Bundesnetzagentur wiederum sieht kaum mehr einen Nutzen der Kernenergie. "Der Beitrag zur Einspeisung von Gas ist marginal", sagte deren Vertreter Johannes Kemper, der auch keine Stromengpässe für den kommenden Winter sieht. "Viel entscheidender" sei der Ausbau der erneuerbaren Energien statt "in der alten Welt zu verharren", sagte Kemper - und nahm Bayern in die Pflicht. Der Freistaat müsse sich von der 10-H-Abstandsregel für Windräder ebenso verabschieden wie von seiner "Aversion gegen den Netzausbau", die einer sicheren Stromversorgung im Weg stehe.

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