Süddeutsche Zeitung

Kanzlergespräch:Aug' in Aug' mit dem Kanzler

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Bei seinem Bürgerdialog in Füssen beantwortet Olaf Scholz Fragen zum Klimawandel, zu Bergwanderungen mit Macron - und zu Alkohol im Kindergarten.

Von Florian Fuchs, Füssen

Olaf Scholz weiß, was sich gehört, deswegen antwortet er auf das "Servus" der Moderatorin zur Begrüßung schmunzelnd mit einem "Grüß Gott". Erste Belastungsprobe bestanden, willkommen in Bayern! Dabei hätte der Bundeskanzler offenbar auch mit einem knappen "Moin" gepunktet. Zwar steht er hier im Festspielhaus Füssen, draußen über die Terrasse blicken die Gäste auf den Forggensee und dahinter das Schloss Neuschwanstein. Trotzdem stellt die erste von 21 Fragen eine gebürtige Hamburgerin, die inzwischen länger im Allgäu wohnt. Und dann bescheinigt dem Kanzler eine Besucherin - schwer genervt von heimischen Lautsprechern wie Markus Söder und Hubert Aiwanger -, dass sie seine hanseatische Zurückhaltung schätzt. Heimspiel, könnte man sagen.

Es ist Halbzeit bei den Kanzlergesprächen, die Olaf Scholz in jedem Bundesland führen will. In Füssen fand am Donnerstagabend der achte dieser Bürgerdialoge statt, mehr als 100 Bürger waren eingeladen, Frauen und Männer, Senioren und Vertreter von Jugendparlamenten. Der Bundeskanzler möchte erfahren, was die Bürger in ihrem Alltag bewegt, und im direkten Austausch seine Politik erklären, so formuliert es sein Presseteam. Scholz selbst drückt es für seinen Besuch in Bayern prägnanter aus: "Es gibt Leute, die geben viel Geld für Meinungsforschung aus. Ich mache lieber Bürgerdialoge."

Und so kämpft er sich durch alle sinnigen und unsinnigen Anliegen der Gäste, zum Klimawandel, zur Sozialversicherung, dem Wert des Handwerks, der Förderung von Familien und Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete aus der Ukraine. Es gibt Momente, da muss der Kanzler passen. Ein Mann aus Füssen wünscht sich, dass Olaf Scholz seinen Gesundheitsminister anweist, Alkohol auf Kindergartenfesten zu verbieten. "Das ist nicht Sache des Gesundheitsministers, sondern der Veranstalter", antwortet Scholz. Es gibt Momente, da hilft er auf dem kurzen Dienstweg: Einem Mann, der Fehlbildungen bei Kindern aufgrund von hormonellen Schwangerschaftstests beklagt, verspricht er einen Termin beim Gesundheitsminister. Es gibt aber auch Momente, da wünscht man sich, der Kanzler würde nicht sprechen wie der Kanzler. Warum es nicht möglich sei, ein Tempolimit einzuführen, will die gebürtige Hamburgerin von ihm wissen. "Weil es keine Gesetzgebungsmehrheit dafür gibt", sagt Scholz.

Der Bundeskanzler bleibt nicht an seinem Pult, er nimmt sein Mikro und geht auf die Fragesteller zu, die in einem langgezogenen Stuhlkreis dicht gedrängt sitzen. Und doch bleibt eine gewisse Distanz, zu sehr gleicht das Format einem Speeddating, zu wenig geht es deshalb in die Tiefe. Interessant ist der Bürgerdialog vor allem dann, wenn die Gäste ihm persönliche Fragen stellen, was - so hieß es im Voraus - ausdrücklich erlaubt ist. So erzählt Scholz bereits eingangs der Moderatorin, dass er vergangenes Jahr im Allgäu Urlaub gemacht habe und dabei auch auf dem Forggensee gerudert sei.

Mit Macron würde Scholz wandern gehen. Mit Putin nicht

Mit welchen bekannten Persönlichkeiten er sich vorstellen könne, eine siebentägige Hüttenwanderung zu unternehmen? Emmanuel Macron würde er schon mitnehmen, der würde auch mitkommen, glaubt er. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez könnte sportlich ebenfalls mithalten, scherzt Scholz. Es gebe da schon einige, die ganz nett seien, auch im persönlichen Austausch. Im Gegensatz zu anderen, offenbar. Mit wem er keine Wanderung unternehmen wolle? Wladimir Putin.

Nach exakt 90 Minuten ist die Fragerunde beendet, Nachspielzeit gibt's nicht. Scholz hetzt noch kurz zum See, für ein Gespräch mit den örtlichen Polizisten, die das Festspielhaus in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt haben. Dann stellt er sich im Garten auf dem Kiesweg an ein Pult, im Hintergrund das Schloss des Märchenkönigs Ludwig II., und knipst sein Lächeln an: Zeit für Selfies mit dem Kanzler.

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