Süddeutsche Zeitung

Wetter:Studie belegt erstmals landesweite Hitzebelastung durch Klimawandel

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Eine neue Schutzgutkarte Klima/Luft soll Bayerns Städten und Gemeinden helfen, sich besser auf die künftig öfter auftretenden heißen Tage vorzubereiten. Die empfohlenen Maßnahmen sollen die Bevölkerung besser schützen.

Der Klimawandel stellt die Städte und Gemeinden vor Herausforderungen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennbar sind. Unter anderem, ob genügend Defibrillatoren in allen Ortsteilen verfügbar sind. Denn Experten gehen davon aus, dass durch die Erderwärmung die hitzebedingten Herzinfarkte zunehmen. Daher wollen Behörden möglichst überall die Geräte, mit denen bei einem Herzstillstand der Patient von Ersthelfern wiederbelebt werden kann, verfügbar machen. Mittlerweile hängen viele Geräte frei zugänglich an zentralen Plätzen, damit sie schnell zur Hand sind.

Die Augsburger Verwaltung hat Anfang dieses Jahres ein "Klimawandel-Anpassungskonzept" erstellt und sich darin beispielsweise auch mit der Defibrillatoren-Dichte in Bayerns drittgrößter Stadt beschäftigt. Die Innenstadt sei "sehr engmaschig" mit den technischen Lebensrettern ausgestattet, hieß es in dem Bericht. "Im Augsburger Westen, in Kriegshaber und in Pfersee sind demgegenüber nur sehr wenige Geräte vorhanden", war hingegen die Beurteilung über Stadtteile in Randlage.

Letztlich sind die Defibrillatoren nur ein Detail. Die Kommunen müssen viel mehr Aspekte im Blick haben, um den Herausforderungen zu trotzen, die Hitze und Trockenheit mit sich bringen. Dieser Sommer gibt mit seinen seltenen Regentagen und wiederkehrenden Hitzeperioden einen Eindruck davon, was wohl kommen wird.

Damit die Behörden bei künftigen Entscheidungen eine Faktenbasis haben, hat das Landesamt für Umwelt zwischen 2019 und 2021 eine "Schutzgutkarte Klima/Luft" erstellt. Bei dieser Studie sei "die klimawandelbedingte Hitzebelastung des Menschen erstmals flächendeckend für ganz Bayern untersucht" worden, berichtet das Landesamt. Die Karte veranschauliche, welche Gebiete schon heute belastet seien und wie sich das Problem verschärfen werde. Berechnet wurden dabei Daten für die beiden Szenarien eines schwachen und eines starken Klimawandels.

Ein wichtiges Thema sind Luftschneisen

Die Karte soll künftig überall bei der sogenannten Landschaftsrahmenplanung eingesetzt werden. Bei der Erstellung eines Umweltberichts für ein geplantes Gewerbegebiet an der Autobahn 9 in Allershausen (Landkreis Freising) wurde kürzlich bereits darauf zurückgegriffen. Es ging darum, ob das Gewerbegebiet eine Beeinträchtigung von Winden und Luftströmungen in benachbarten Wohngebieten bedeuten würde. Gewisse Einschränkungen könne es geben, jedoch keine wesentlichen Änderungen, hieß es. "Eine geringe Erhöhung der Lufttemperatur von einzelnen Kelvin sind mit dem verringerten bodennahen Luftaustausch, bei Kaltluftbedingungen, nicht auszuschließen", wurde in dem örtlichen Umweltbericht konkretisiert.

Denn gerade die Frage von Luftschneisen in Ortschaften gehört zu den wichtigen Themen, um einer zu starken Erhitzung der Innenstädte vorzubeugen. "Um ein gesundes Klima im Siedlungsbereich zu erhalten, die Aufheizung der Luft zu vermindern, einem gesundheitsgefährdenden Hitzestress vorzubeugen und Luftverunreinigungen abzubauen, muss ein möglichst ungehinderter Luftaustausch mit der freien Landschaft gewährleistet werden", fordert daher auch das bayerische Landesentwicklungsprogramm.

Diese Diskussion wird inzwischen auch in der Bevölkerung geführt. Im Juli zeigte sich dies bei einem Bürgerentscheid in Ingolstadt über den Neubau eines Theaters. Kurz vor dem Urnengang wurde bekannt, dass der Gebäudeblock negative Auswirkungen für die Belüftung des Stadtzentrums haben könnte. Die Kritiker der geplanten Kammerspiele hatten dadurch sofort ein weiteres Argument gegen das Projekt. Letztlich lehnten die Ingolstädter den Neubau mit etwa 60 zu 40 Prozent ab, nun muss die Stadtverwaltung neu planen.

In der landesweiten Studie des Umweltamtes waren auch die nächtlichen Wärmebelastungen ein besonderer Schwerpunkt. Denn der Klimawandel ist längst in den Schlafzimmern angekommen. Dies zeigt auch eine Untersuchung, die die Universität Ulm mit mehreren Partnern im Sommer 2019 in Augsburg gemacht hatte. Es wurden in rund 550 Haushalten die Wohnungstemperaturen gemessen, zudem wurden mehr als 460 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach ihren Problemen mit der Hitze befragt. Nur 5,5 Prozent der Befragten hätten angegeben, dass sie niemals unter gesundheitlichen Problemen während einer Hitzewelle litten, heißt es im Abschlussbericht. Die Messungen ergaben, dass es in den Schlafzimmern oftmals um 25 Grad warm war, manchmal mehr als 30 Grad. Der vom Bundesumweltamt empfohlene Wert von 17 bis 20 Grad wurde nur gelegentlich erreicht.

Wissenschaftler blicken deshalb besonders auf die sogenannten Tropennächte, wenn das Thermometer auch in der Nacht draußen nicht unter 20 Grad fällt. Aktuell gibt es in der besonders aufgeheizten Stadt München beispielsweise im Durchschnitt etwa vier Tropennächte pro Jahr. Bei einem schwachen Klimawandel könne sich die Zahl dieser heißen Nächte im Freistaat verdoppeln, bei einem starken Klimawandel vervierfachen, heißt es in der Untersuchung der Landesbehörde.

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