Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:CSU-Innenminister: Österreich missachtet europäisches Recht

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Von Robert Roßmann, Berlin, Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl, Ingolstadt, Ingolstadt/Berlin

Im Streit um die Flüchtlingspolitik hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer den Ton gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch verschärft. Bei einem Treffen mit bayerischen Kommunalpolitikern in Ingolstadt kündigte Seehofer eine "wirksame Notwehr" Bayerns an, sollte der Bund keine wirksamen Maßnahmen zur Reduzierung der Flüchtlingszahl treffen. Wie diese "Notwehr" aussehen könnte, ließ Seehofer offen. Dass aus bayerischer Sicht etwas geschehen müsse, sei jedoch klar, sagte der CSU-Chef.

In einer Sondersitzung des Kabinetts will Seehofer am Freitag mit seinen Ministern über mögliche "Notmaßnahmen" und eigene Schritte Bayerns beraten. Dabei erwägt Seehofer offenbar, im Zweifel auch Maßnahmen zu ergreifen, die rechtlich nicht gedeckt sind. Die CSU schlägt etwa "Transitzonen" an den deutschen Grenzen vor, um Flüchtlinge direkt abweisen zu können. Außerdem könnten Züge oder Busse mit Flüchtlingen einfach in andere Bundesländer weitergeschickt werden.

"...und Österreich winkt nur durch"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann soll bis Freitag Vorschläge liefern, wie sich die Zahl der ankommenden Flüchtlinge begrenzen lässt. Laut Seehofer sind allein zwischen 1. September und 3. Oktober 225 000 Flüchtlinge im Freistaat angekommen. "Sollte unser Nachbarland Österreich weiterhin das europäische Recht missachten, muss auch Deutschland prüfen, ob es Flüchtlinge nicht unmittelbar an der österreichischen Grenze zurückweist - denn in Österreich waren die Flüchtlinge bereits sicher", sagte Herrmann der Süddeutschen Zeitung.

Seehofer sagte mit Blick auf die ankommenden Flüchtlinge: "Auf Griechenland kann man nicht zählen, Kroatien und Ungarn werden überrannt, und Österreich winkt nur durch." Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände Bayerns forderten die anderen Bundesländer auf, endlich der Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel nachzukommen. Bayern habe sein Soll bereits übererfüllt.

Fahimi: Seehofer verhalte sich "unwürdig"

In Berlin reagierten CDU und SPD mit Unverständnis auf die Drohungen Horst Seehofers. In der CDU wurde darauf verwiesen, dass die Bundesregierung in der vergangenen Woche die deutlichste Verschärfung des Asylrechts seit Jahrzehnten auf den Weg gebracht habe. Es solle bereits im November in Kraft treten. Außerdem habe das Kabinett am Mittwoch beschlossen, dass die Flüchtlingspolitik künftig direkt aus dem Kanzleramt gesteuert wird.

Kanzleramtschef Peter Altmaier soll die "politische Gesamtkoordinierung" übernehmen. Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warf Ministerpräsident Seehofer vor, sich "unwürdig" zu verhalten. In einer ohnehin schon angespannten Atmosphäre betreibe der CSU-Chef "rein populistische Politik".

Merkel ging auf die Kritik Seehofers nicht ein. In einer Rede vor dem Europaparlament rief die Bundeskanzlerin stattdessen die anderen europäischen Staaten eindringlich zur Hilfe für Flüchtlinge auf. Sie sagte, Abschottung löse keine Probleme, sondern sie schaffe nur neue und größere.

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SZ vom 08.10.2015
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