Süddeutsche Zeitung

Mitten in Erlangen:Ein bisschen verarscht

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Theoretisch könnte sich Erlangens Unipräsident freuen: endlich geregelte Bürozeiten! Der "Schutzzaun" am Uni-Hauptsitz steht zwar schon seit acht Jahren, nun aber ist die Steinschlaggefahr so groß, dass man das Haus nur noch tagsüber betreten kann.

Glosse von Olaf Przybilla, Erlangen

Im August 2021 hat die Erlanger Studentin Luisa Weyers der SZ ein Interview gegeben, dessen zentraler Satz aus gegebenem Anlass hier noch einmal wiedergegeben werden darf: "Bayern lässt hier seine Uni verfallen." Gemeint war die Friedrich-Alexander-Universität (FAU), Bayerns größte Uni außerhalb Münchens. Auf die Frage, wie das so bei ihr ankomme, dass an ihrer Uni gelegentlich die Decken runterkommen, 20 Kilometer weiter südlich aber, in Söder-City, gerade Bayerns ultimative Super-Duper-Uni entsteht - die TUN (Technische Universität Nürnberg) -, antwortete die Studentin damals: "Man kommt sich ein bisschen verarscht vor."

In solchen Fällen kommt dann zuverlässig Post aus dem zuständigen Ministerium, in manierlichem Stil gehalten ("mit großem Interesse gelesen"). Man wolle aber doch anmerken, dass die "Herausforderungen baulicher Art" bekannt und zur Abhilfe "rund 1,5 Milliarden" Euro vorgesehen seien. Na dann, könnte man denken, ist ja alles in bester Ordnung.

Wirklich? Wer Touristen die schönste Seite einer liebreizenden Stadt zeigen will, der sollte sie zum Erlanger Schlossplatz führen. Dort schließt sich der Schlossgarten an, ein wunderschöner Ort. Und davor fällt der gefällige Blick aufs Markgrafenschloss, den Hauptsitz der Uni. Respektive: Der Blick fiele, würde er nicht von einem "Schutzzaun" behindert, der dort vor Steinschlag bewahrt.

Ja nun, so was kommt schon mal vor, ein paar Monate lang. Stimmt. Aber es war dort bereits 2014 der Fall, 2015, auch 2016, 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021. Und jetzt? Ist neuerdings auch noch das große Wappen am Schloss absturzgefährdet, am Eingangsportal. Weshalb der Herr des Hauses, der Unipräsident, sich nun theoretisch über klar strukturierte Arbeitszeiten freuen könnte. Er kann sein Büro nur übern Hintereingang betreten, über den Schlossgarten. Und der wird abends geschlossen.

Beim Fernsehvorabend würde man jetzt abschalten, das wäre nun doch zu dick aufgetragen in einem verfassungsmäßig festgeschriebenen Kulturstaat. Das aber ist keine Vorabendsatire, sondern Realität in Bayern (außerhalb Münchens).

Am Geld, so ist zu hören, soll's gerade nicht scheitern, das läge bereit, auch der Beschluss zur Generalsanierung liegt vor. Aber Geld allein renoviert halt keine Fassade. In Erlangen stellen sie sich schon darauf ein, den "Schutzzaun" noch jahrelang bewundern zu dürfen. Und wer weiß? Vielleicht erlebt er ja noch die Eröffnung der best Uni ever im nahen Nürnberg?

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