Süddeutsche Zeitung

CSU:Hund sans nimmer

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Der Rücktritt des CSU-Generalsekretärs ist nur ein Symptom für die Probleme der Partei: Sie hat ein tief sitzendes Bigotterie-Problem.

Kommentar von Katja Auer

Der Rücktritt von Generalsekretär Stephan Mayer offenbart ein tief liegendes Problem der CSU. Parteichef Markus Söder wollte die CSU - nach erfolglosen Umdeklarierungsversuchen zur modernen Großstadt- oder auch zur Umweltpartei - wieder als traditionell-konservative Heimatpartei festigen. Doch die Werte, für die die CSU so gerne stehen möchte, kann sie längst nicht mehr glaubhaft vertreten.

Für die Partei ist es existenziell, dass ihre Wähler sie weiterhin für die Spitzenpositionen des Freistaats in vielen Bereichen, aber auch für Lebensgefühl und Tradition verantwortlich halten. Nicht zuletzt wegen des Bedeutungsverlusts im Bund muss die CSU ihre Erfolge allein in Bayern feiern, Ministerpräsident Söder tingelt sehr bewusst gerade von Volksfest zu Volksfest. Die CSU hat die Landtagswahl 2023 als Schicksalswahl erkannt. Sinkt die Zustimmung weiter und braucht sie gar einen dritten Koalitionspartner, ist es vorbei mit dem Nimbus und wohl auch mit Söders Karriere.

Verhindern sollte das auch ein neues Personaltableau, vor ein paar Wochen erst stellte Söder das neue Kabinett und seinen neuen Generalsekretär vor. Nun könnte man meinen, dass ein nichteheliches Kind im 21. Jahrhundert selbst im Wallfahrtsort Altötting keinen allzu großen Aufreger mehr darstellt, noch dazu ist Mayer ledig. Aber es ist halt - wieder einmal - die Bigotterie, die es dazu macht.

Da präsentierte Söder seinen neuen Generalsekretär eigens als "konservativ, katholisch", als einen, der die Wähler im ländlichen Raum wieder von der CSU überzeugen soll. Und dann verleugnet - wenn es denn stimmt (was zumindest kolportiert wird) - ein solch konservativ-katholischer Vorzeigepolitiker den eigenen Sohn und droht dem Journalisten, der es herausfindet, mit "Vernichtung". Ein solcher Ausfall ist, wenn auch von gesundheitlichen Problemen mitverursacht, nicht akzeptabel.

Maskenaffären, Korruption: Die CSU gibt immer wieder Maßstäbe vor, die von den eigenen Leuten nicht eingehalten werden

Auch Horst Seehofer wurde einst wegen eines außerehelichen Kindes zunächst nicht zum CSU-Chef gewählt. Auch damals war der kleinere Skandal, dass er ein solches hatte, der große aber, dass er es verheimlichte und stattdessen das christlich-soziale Familienbild propagierte.

Das Problem sind nicht persönliche Unzulänglichkeiten, die Politikern genauso zugestanden sein sollen wie jedem anderen Menschen. Aber die CSU hat ein besonderes Händchen dafür, Maßstäbe anzulegen, die von den eigenen Leuten nicht eingehalten werden.

Gerade wurden Ermittlungen gegen den früheren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bekannt, der nicht nur das milliardenschwere Mautdebakel zu verantworten hat, sondern auch noch vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss falsch ausgesagt haben soll. Im bayerischen Landtag läuft der Untersuchungsausschuss zu den Maskenaffären, die eine Raffgier von Politikern offenbaren, deren Dimension fassungslos macht. Millionen sollen da verdient worden sein an der Corona-Krise.

Es ist Söder nicht gelungen, sich glaubhaft abzugrenzen von der "alten CSU", von den Amigos von früher. Er führte strenge Compliance-Regeln ein und verlangte absolute Transparenz von seinen Politikern. Doch zu viele Skandale hat es auch unter seiner Führung gegeben, zu wenige weitsichtige Menschen bestimmen den Kurs. In ihrer aktuellen Verfasstheit wirkt die Partei eher wie eine abgewirtschaftete Version ihrer früheren Dominanz. Hund sans scho, hieß es früher. Sind sie längst keine mehr, dieses Lob der Schlitzohrigkeit hat die CSU nicht mehr verdient.

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