Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Alle Zimmer frei in Bayerns Hotels

Lesezeit: 4 min

Von Sebastian Beck und Florian Fuchs, München

Die Homepage des Klosterhofs verbreitet noch Optimismus: "Wir freuen uns auf ein Wiedersehen voller Begeisterung im April", steht dort zu lesen. Das edle Wellnesshotel mit 130 Betten oberhalb von Bayerisch Gmain im Berchtesgadener Land steht schon seit Wochen leer. Inhaber Andreas Färber hat keine Ahnung, wann und wie es weitergeht. Ein Drittel seiner 80 Angestellten musste er entlassen, der Rest ist in Kurzarbeit. "In Österreich wird viel über Hotellerie geredet", sagt Färber. "Hier haben wir die letzten zwei Wochen überhaupt nichts gehört."

Vor dreieinhalb Jahren erst haben Färber und seine Frau Henrike das Hotel eröffnet. Eine gewaltige Investition, die finanziert werden muss. Wie alle jungen Hotels habe man hohe Tilgungen zu zahlen, sagt Färber. Doch nun bleiben die Gäste aus, die Unkosten aber laufen weiter. Nicht nur er wartet deshalb auf klare Handlungsempfehlungen der Politik: Wann und unter welchen Bedingungen kann er wieder aufsperren? Und was ist mit dem Wellnessbereich, auf den das ganze Hotel schließlich ausgerichtet ist?

Das Infektionsrisiko in der Sauna schätzt er als niedrig ein. Aber was ist mit den Duschen? Das sind nur einige der vielen Fragen, die ihn umtreiben. Im Falle Mundschutzpflicht werde bei den Urlaubern nicht gerade Ferienfeeling aufkommen, befürchtet Färber. Die Situation sei für die Branche ganz realistisch existenzbedrohend.

Tatsächlich entstehen gerade Pläne, wie die Branche wieder hochgefahren werden kann. "Wir erarbeiten eine Art FAQ, wie und wann Öffnungen stattfinden können", sagt Oswald Pehel, Geschäftsführer des Tourismusverbands Oberbayern. Erst am Dienstag gab es eine Schalte von Tourismusverbänden mit dem Wirtschaftsministerium. Vieles hängt aber davon ab, wie es mit den deutschlandweiten Beschränkungen weitergeht.

Pehel peilt erste Öffnungen von Tourismusbetrieben im Juni an, auch mit Blick auf Österreich: Dort sollen Hotellerie und Gastronomie Mitte Mai wieder starten. "Und die Österreicher sind uns in der gesamten Entwicklung ja immer ein bisschen voraus gewesen", sagt Pehel. Sollte es später losgehen, wird es sich kaum vermeiden lassen, dass einige Betriebe pleite gehen - das hört man auch aus anderen Regionen Bayerns.

Man stehe in den kommenden Monaten vor einer "Marktbereinigung", so formuliert es ein Hotelier aus Oberaudorf. Irgendwas muss also passieren, und zwar möglichst bald. Allerdings kann es keinen einheitlichen Plan geben, zu unterschiedlich sind die Betriebe: Die großen Wellnesshotels werden andere Bestimmungen benötigen und sicher erst später öffnen können als etwa Campingplätze oder Ferienwohnungen.

"Da können sich Familien oder kleine Gruppen einbuchen und bleiben unter sich, was die Infektionsgefahr mindert." Hygienevorschriften, Mundschutz, Schnelltests vor Ort: Viele Ideen stehen im Raum, auch für andere Tourismusbranchen wie Museen oder Seilbahnen. "Nur die Umsetzung wird für uns alle Neuland sein", sagt Pehel.

Das größte Problem, das sieht man nicht nur beim oberbayerischen Tourismusverband so, werden die großen Hotels mit ihren hohen Investitions- und Unterhaltskosten haben. Pehel glaubt, dass zunächst die Tagesgäste wieder kommen, Geschäftsreisen werden zunehmen, die Touristen werden vornehmlich aus dem Inland anreisen - womit sich das Gästeaufkommen ohnehin nur auf etwa 25 Prozent des normalen Werts belaufen wird.

"Um ein Tophotel wirtschaftlich betreiben zu können, braucht es aber eine hohe Auslastung", weiß Sybille Wiedenmann, die Geschäftsführerin der Vereinigung der großen Luxushotels im Allgäu. Das bestätigt auch Andreas Färber vom Klosterhof, der selbst Arzt ist und sich beruflich früher auch mit der Seuchenbekämpfung befasste: Abstandsregelungen und Wirtschaftlichkeit vertragen sich nicht miteinander. Selbst bei Öffnungen im Juni sind die weiteren Geschäftsprognosen für die meisten Betriebe also nicht rosig.

Betriebe mit vier und fünf Sternen haben 10 000 bis 25 000 Euro Kosten - pro Tag

Wiedenmann nennt Zahlen, um das Ausmaß der Krise zu verdeutlichen: Betriebe mit vier und fünf Sternen haben demnach 10 000 bis 25 000 Euro Kosten - pro Tag, je nach Größe. Anders dargestellt: Jeder Million Euro Umsatz, die in den ersten vier bis sechs Wochen der Hotelschließungen fehlt, stehen in einem Betrieb Kosten von 750 000 bis 800 000 Euro entgegen.

Volle Kühlhäuser, die Technik muss gewartet, der Spa-Bereich gepflegt werden. "Das lässt sich nicht von heute auf morgen herunterfahren." Erst nach vier bis sechs Wochen könne man die Betriebskosten, so erläutert es Wiedenmann, auf bis zu 400 000 Euro reduzieren.

Zu all den Kosten kommen bei den meisten großen Hotels noch Zins- und Tilgungsleistungen, es gibt eine Übersicht über die Investitionen der Luxusbetriebe im Allgäu der letzten Jahre: Das Resort Bergkristall in Oberstaufen etwa hat für Modernisierungen 12,5 Millionen Euro im Jahr 2018 ausgegeben. Das König Ludwig Wellness & Spa Resort in Schwangau kommt auf 8,5 Millionen Euro in den vergangenen drei Jahren.

Kein Wunder also, dass Wiedenmann sagt: "Die Soforthilfe des Freistaats ist gut, aber damit kommen wir nicht weit." Und billige Kredite ermöglichen auch nur einen schleichenden Tod. Die Leitbetriebe aus dem Allgäu und Oberbayern haben sich nun zusammengeschlossen, um Forderungen zu stellen, die großen Hotels aus dem Bayerischen Wald und Franken sollen noch dazustoßen: Die Soforthilfe müsse aufgestockt werden, es benötige eine eigene Lösung für Betriebe mit mehr als 250 Mitarbeitern.

"Und vor allem müssen wir Unternehmen sichern, nicht Banken schützen", warnt Wiedenmann. Bürgschaften für Kredite sollen langfristig in Zuschüsse für die Betriebe umgewandelt werden. Vorbild sind auch hierbei nach Ansicht der Hoteliers österreichische Regelungen, wonach 25 bis 75 Prozent der Kredite nach gewissen Kriterien in Zuschüsse gewandelt werden. Neue Kredite, sagt Wiedenmann, seien kein Weg aus der Krise. "Das ist ein Weg in die totale wirtschaftliche Überschuldung."

Färber in Bayerisch Gmain will die Zeit bis zu einer Wiedereröffnung einigermaßen produktiv nutzen, sei es mit Maler- und Wartungsarbeiten oder auch mit Online-Schulungen des Personals. Zumindest einen positiven Effekt kann er der Situation abgewinnen: Die Belegschaft sei in den vergangenen Wochen zu einer Klosterhof-Familie zusammengewachsen. Er ist sich sicher: "Wir werden es schon irgendwie packen."

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Quelle:
SZ vom 16.04.2020
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