Süddeutsche Zeitung

Mitten in Coburg:Und täglich grüßt der Unternehmer

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Oberbürgermeister von Coburg ist ein harter Job. Nicht nur um die Stadt muss man sich kümmern, sondern dauernd auch um den Alphamann: Brose-Unternehmer Michael Stoschek.

Von Olaf Przybilla, Coburg

Geschichte wiederholt sich nicht, aber in Coburg könnte man schon das Gefühl bekommen, dass das Murmeltier dort vielleicht nicht täglich grüßt, aber doch sehr konstant im Einsatz ist. Jedenfalls müssen die gerade diensthabenden Oberbürgermeister diesen Eindruck gewinnen, die in Coburg traditionell von der SPD und stets mit demselben Phänomen konfrontiert sind: einem Faktotum, das im Umgang einnehmend, eloquent und charmant sein kann - aber nicht notwendigerweise sein muss. Manchmal sogar gar nicht.

Norbert Kastner hat 1990 das Amt als Rathauschef übernommen, er war zarte 30 Jahre alt und damals der jüngste deutsche OB ever. Da blickt man auf eine lange Zeit des Gestaltens und sucht sich Zeitgenossen an seiner Seite. Legendär geworden ist das Bild mit dem Brose-Unternehmer Michael Stoschek bei einer Rallye, der Politiker auf dem Beifahrersitz, der Unternehmer am Lenkrad. Eine Männerfreundschaft, wie man so sagt.

Halten sollte sie nicht. Ein Schild auf einem Kreisverkehr, der Zoff um die Umbenennung einer Straße, ein Konzept für die Gestaltung der Innenstadt - was es exakt war, das den Keil zwischen die Alphamänner getrieben hat, werden Historiker aufzuarbeiten haben. Am Ende jedenfalls setzte Stoschek alles daran, Kastner aus dem Amt zu hebeln. Und scheiterte.

Nachdem Kastner 2014 nicht mehr angetreten war, kreierte Nachfolger Norbert Tessmer (SPD) ein sozusagen ressortübergreifendes Großziel: Befriedung der Lokalfehde. Man war bereit, extrem viel dafür zu tun, gar nach dem NSDAP-Mitglied Max Brose wurde nun eine Straße benannt. Einen immerwährenden Frieden zu schmieden, aber war auch Tessmer nicht vergönnt. Der goldene Ehrenring der Stadt? Stoschek gab ihn zurück.

Aktuell amtiert schon der nächste SPD-Mann (daran aber liegt die Fehde wohl nicht: im Zoff ist Stoschek 2021 aus der CSU ausgetreten). Und für diesen Mittwoch nun hat Oberbürgermeister Dominik Sauerteig eine Stadtratssondersitzung einberufen, um Vorwürfe auszuräumen, Coburg verschleudere Steuergeld. Es geht um die Gestaltung der Außenanlagen des - auch von Brose mitfinanzierten - Globe-Theaters, das Stoschek mal als sein "Kind" bezeichnet hat. Dessen Protestmails, behauptet jemand aus dem Rathaus, blockierten derzeit "weite Teile des Baureferats". Ob's stimmt? Schwer zu sagen. Vorstellen aber könnte man sich's.

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