Süddeutsche Zeitung

Globe-Theater Coburg:Bitte keine Show-Geschichte

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Was war das für eine Story: zwei Studierende, eine Idee, eine unglaubliche Allianz - Coburg bekommt ein Globe-Theater. Zum Richtfest herrscht nun Ernüchterung.

Von Olaf Przybilla, Coburg

Vielleicht war diese Geschichte einfach zu schön, um unbefleckt wahr zu werden. Sie klang ja auch wie ein Stadtmärchen. Da wagten zwei Studierende ein architektonisches Gedankenspiel, wie man das so macht als angehender Akademiker. Und plötzlich - durch geradezu absonderliche Allianzen - wird diese Utopie, als Wolkenkuckucksheim belächelt, zur Wirklichkeit. Coburg bekommt ein Globe. In der Stadt des Prinzen Albert, der im britischen Königshaus Karriere gemacht hat, wird ein Theaterbau an Shakespeare und London erinnern - eine Krönung für die Kommune, die wie keine andere Bayerns alte Beziehungen zur Krone pflegt. Wow.

Anders Macht ist einer der beiden Ex-Studenten, auf dem Weg zur Arbeit kommt er jeden Tag an der Globe-Baustelle vorbei und seine Gefühle sind dann höchstens gemischt. Zum ersten Spatenstich waren er und seine Ex-Kommilitonin Isabell Stengel eingeladen, beide lehnten ab. Für Außenstehende mag das schwer zu erklären sein. Denn das mit dem Globe, das war doch ihre Idee. Ihr Professor hatte ihnen 2016 die Aufgabe gestellt, ein bisschen nachzudenken über eine Interimsspielstätte fürs sanierungsbedürftige Landestheater. Und als sie einmal auf dem Schlossplatz standen, die Geschichte Coburgs im Kopf, da war plötzlich der Gedanke: Warum kein Theaterrundbau wie bei den großen, nun ja, Geschwistern der Stadt?

Und dann der Spatenstich ohne die beiden? "Wir wollten nicht als Maskottchen aufs Foto", sagt Macht, bitte "keine Show-Geschichte". Anfangs habe es stets geheißen, die Ideengeber würden selbstredend am Fortgang des Projekts maßgeblich beteiligt. Richtig sei das aber nie verwirklicht worden, findet Macht. Grober Kontakt, das schon. Auch über einen schönen Designpreis konnten sich beide freuen. Beteiligung aber hätten sie sich anders vorgestellt.

Um das zu verstehen, muss man wohl in den komplexen Prozess einsteigen, der ihre Idee Realität hat werden lassen. Zunächst waren Stengel und Macht für ihre Vision nur an der Hochschule belobigt worden, bis die Stadt Wind davon bekam. Man war entzückt, bald ernüchtert: zu teuer, zu riskant, ungeklärte Platzfragen. Die Idee wurde gleich zweimal beerdigt, bis kurz vor Weihnachten 2017 ein Stadtrat der Linken noch einen Eilantrag stellte - und sich danach Unterstützer wie aus dem Märchen meldeten: vor allem Michael Stoschek, Brose-Unternehmer und einer jener Wirtschaftslenker Bayerns, dem die Linke an schlechteren Tagen das Etikett "Großkapital" anheftet. Und trotzdem: Die Allianz reüssierte, das Globe wurde beschlossen - nicht zuletzt weil Brose ankündigte, zusammen mit der HUK und der Firma Kaeser die Planung zu übernehmen und nach Fertigstellung an die Stadt zu übertragen. Klang richtig gut.

Dass sich der fürs Polarisieren berüchtigte Unternehmer Michael Stoschek - der sich inzwischen durch ZDF-Satiren von Jan Böhmermann bundesweiter Prominenz erfreut, wenn auch wohl unfreiwillig - dafür auf wunderliche Allianzen einlassen musste? Ihm sei "Ideologie" immer fremd gewesen, erklärte Stoschek 2018 im SZ-Gespräch, stattdessen gehe es ihm "um pragmatische Lösungen". Und: Er brenne fürs Globe, "das ist mein Kind".

Das mit dem Kind sieht mancher anders in Coburg. Einen Teil der Vaterschaft aber darf Stoschek zweifellos für sich beanspruchen. Er war es, der bei drei Coburger Unternehmen drei Millionen Euro fürs Globe lockermachte. Er war es auch, der den damaligen Finanzminister Markus Söder von einem Staatszuschuss über zehn Millionen Euro überzeugte. Ein Zuschuss, der freilich zwingend zur Folge hatte, dass die Stadt zum Bauherrn werden musste, nicht etwa die "Globe GmbH" der drei besagten Firmen, wie ein Stadtsprecher erklärt. Denn Unternehmen könne der Staat natürlich kein Geld überlassen.

Eine sehr spezielle Baustelle: zwei Ideengeber, drei finanziell beteiligte Unternehmen, die Stadt als Bauherr, der Freistaat als Mitfinanzier, unterschiedliche Architekten für Entwurf und Ausführung - und das auf einem sehr entwicklungsbedürftigen Bahnbrachland, das Fußgänger an Industriebauten entlang erreichen. Und eben Michael Stoschek. Mit der Prophezeiung, es dürfte da krachen, hätte man in Wettbüros nicht reich werden können.

Kürzlich war Richtfest. Wie er, Stoschek, mit der Baustelle zufrieden ist? "Damit kann man nicht zufrieden sein", teilt er mit. Die Gesellschafter der Globe GmbH hätten der Stadt detaillierte Planungen überreicht für Außenanlagen samt Beleuchtung, die Pläne seien 2018 begeistert aufgenommen worden, "daran sollte sich die neue Stadtführung und der neue Stadtrat halten". Was so strittig ist? Auf der Bautafel sei etwa bis heute ein Gebäude in Holzfarben zu sehen, stattdessen habe sich die Stadt für "eine mittel- und dunkelgraue Industriefassade entschieden". Auch die Planung der Außenanlage sei ausschreibungsfähig übergeben worden, schließlich aber anders vergeben worden, "kein guter Umgang mit Steuergeld". Es kracht also. Was sich ändern muss? Bei Änderungen müsse künftig der Generalplaner einbezogen werden. Und "der Initiator", findet Stoschek. Also - aus seiner Sicht - er selbst.

Die Stadt fasst sich offiziell kurz: Es sei der Globe GmbH - den drei Unternehmen also, darunter Michael Stoschek - mehrmals sowohl "schriftlich als auch mündlich" mitgeteilt worden, "dass die Fertigstellung der Planungen für Globe und Freianlagen sowie die Bauherrenfunktion von der Stadt wahrgenommen werden müssen", erklärt OB Dominik Sauerteig - das schreibe die Gemeindeordnung so vor. Hinter den Kulissen freilich geht es hoch her und wie immer, wenn's um Stoschek geht, gibt es zwei sehr konträre Haltungen. Ohne Ärger gehe es bei diesem nicht, sagen die einen, das sei notorisch und der Kampf um eine Farbe - die aus pragmatischen Gründen grau werden solle - der klassische Pars-pro-toto-Kampf um eine Windmühle. Die anderen sagen, Stoschek sei eben, wie so oft, enttäuscht, weil eine gute und visionäre Sache nicht so zu Ende geführt werde, wie er sich das als Unternehmer erhofft habe. Und als "Initiator".

Anders Macht findet schon das Wort schwierig. Genauso, wie die wuchtigen Funktionsbauten hinter dem Globe-Theater. Noch schwieriger findet seine Kollegin Stengel die Ausführung. Von der Idee eines Globe bleibe offenbar nur die äußere Form, wo doch ein Innenrund viel wichtiger wäre. Dort aber solle, so wie sie das auf den Plänen erkenne, das Eckige dominieren, "klassischer Guckkasten". Etwas Einfaches habe sie sich erhofft, etwas Leichtes, Verspieltes mit rundem Innenraum. Stattdessen sehe sie nun "Standard". Klar, man sei raus aus dem Bau und womöglich werde man am Ende doch positiv überrascht sein - denn wenn er fertig ist, der Bau, wolle sie ihn natürlich schon mal betreten. Im Moment aber sei sie "total enttäuscht". Das Märchen, es war einmal.

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