Süddeutsche Zeitung

Internet-Kriminalität:Bayern forciert Kampf gegen Online-Hetze

Lesezeit: 2 min

"REspect!" soll Betroffenen das Melden von Hetznachrichten erleichtern. Die Zahlen in Bayern sind zuletzt deutlich gestiegen.

Von Maximilian Gerl, München

Wer sich im Internet öffentlich positioniert - sei es für Demokratie und Gleichberechtigung, gegen Rassismus und Homophobie - muss auch im vermeintlich aufgeklärten Jahr 2022 mit Hasskommentaren rechnen. Um Betroffene in Bayern künftig beim Umgang mit und gegen Hasspostings zu unterstützen, hat das Justizministerium diesen Montag eine neue Meldestelle vorgestellt. Die Stelle namens "REspect!" wird unter anderem bereits in Baden-Württemberg genutzt. "Hass und Hetze haben ein erschreckendes Ausmaß angenommen", teilte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) mit. "Es hat sich eine echte Gefahr für die Demokratie entwickelt."

Tatsächlich ist die Zahl der gemeldeten Vorfälle in Bayern zuletzt deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr haben allein die landesweit 22 Hate-Speech-Sonderdezernate - angesiedelt bei den örtlichen Staatsanwaltschaften - 2317 Verfahren geführt. Das entspricht gegenüber 2020 einem Plus von 41 Prozent. Die Dunkelziffer indes dürfte deutlich höher sein. Etliche Fälle gelangen nie zur Anzeige, auch weil sich Betroffene immer wieder machtlos fühlen angesichts der Nachrichtenflut von häufig anonymisierten Absendern. "Hate Speech im Netz ist kein Kavaliersdelikt, sondern digitale Gewalt", sagte Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU): Es verletze die Betroffenen und verpeste das gesellschaftliche Klima. Das Sozialministerium unterstützt "REspect!" finanziell. Die Meldestelle existiert seit 2017 und wird vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg betrieben.

Unter https://meldestelle-respect.de können Nachrichten mit URL, Screenshot und Beschreibung hochgeladen werden. Die Meldestelle überprüft die Inhalte dann auf ihre strafrechtliche Relevanz, denn "nicht alle Kommentare, die unfreundlich oder geschmacklos sind und Menschen verletzen, überschreiten die Grenze zur Strafbarkeit", sagte Eisenreich. Falls doch, werden die Meldungen über das Bundeskriminalamt ans Landeskriminalamt geleitet, das dann die örtliche Polizei für weitere Ermittlungen einschaltet. Zudem will die Meldestelle im Umgang mit Hate Speech beraten. Nach eigenen Angaben führen etwa 95 Prozent der bei "REspect!" an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleiteten Meldungen zu Ermittlungsverfahren.

Der Freistaat versucht seit Jahren, gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen - mit angesichts der Ausmaße des Problems durchwachsenem Erfolg. So können kommunale Mandatsträger und Abgeordnete seit 2020 in einem Online-Meldeverfahren Anzeigen an die Generalstaatsanwaltschaft München übermitteln. Ein gemeinsames Online-Meldeverfahren für Opfer judenfeindlicher Straftaten existiert mit der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern.

Im Unterschied dazu steht die Kooperation mit "REspect" allen Menschen offen. Die Zusammenarbeit mit der Meldestelle sei wichtig und "längst überfällig", teilte Katharina Schulze mit, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen. "Nun müssen zügig weitere Schritte folgen, um Betroffene umfassend zu stärken." Die Grünen fordern eine zentrale Meldestelle für strafrechtlich Relevantes; eine "virtuelle Polizeiwache, an die man sich jederzeit, vom Sofa aus, wenden kann, selbst wenn mitten in der Nacht eine Vergewaltigungs- oder Todesdrohung ins Postfach flattert", sagte Schulze. Eine strafbare Handlung zu verfolgen, solle genauso leicht sein, "wie es für die Täter leicht ist, Hass und Hetze in die Computer zu tippen".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5627407
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.