Süddeutsche Zeitung

Italien:Wo sie reden wie die Bayern vor 800 Jahren

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Auf Sprachinseln in Italien hat sich die älteste noch gesprochene Form des Deutschen erhalten. Das Cimbern-Kuratorium fördert den Erhalt dieser Kultur.

Von Hans Kratzer, Velden

"A faulaz oa dastinkat a gantzas haus - ein faules Ei verpestet das ganze Haus." Ähnlich alt wie diese Weisheit ist auch die Sprache, die im Land der Zimbern seit Jahrhunderten weitergegeben wird. Das Land der Zimbern? Sofort fällt einem jener Germanenstamm ein, der vor gut 2000 Jahren von den Römern aufgerieben wurde. Doch damit haben die Zimbern, von denen hier die Rede ist, nichts zu tun. In diesem Fall geht es nämlich um eine Sprachinsel auf der alpinen Hochebene nördlich von Verona und Vicenza. Dort hat sich die zimbrische Sprache erhalten, die älteste, heute noch gesprochene Form des Deutschen überhaupt. Es ist exakt jene Mundart, die vor 800 Jahren in Bayern gebräuchlich war und deshalb die Sprachwissenschaftler in Verzückung versetzt.

Vor zehn Jahren sah es noch so aus, als gehe das Zimbrische unrettbar verloren. Dass es immer noch existiert, ist nicht zuletzt einem Verein zu verdanken, der sich Bayerisches Cimbern-Kuratorium nennt und am Wochenende sein 50-jähriges Bestehen feiert. Seine Anfänge gehen auf einen Mann namens Hugo Resch zurück, den das Arbeitsamt München einst nach Norditalien geschickt hatte, um dort Gastarbeiter anzuwerben. In abgelegenen Bergdörfern entdeckte er den alten Dialekt.

Jahrzehntelang hielt Resch Wörter, Redewendungen und Eigenheiten der Grammatik auf den Sprachinseln der Zimbern fest. Bis zu seinem Tod im Jahr 1992 sammelte er unermüdlich Material, das Hunderte Aktenordner füllt. Um dieses Vermächtnis kümmert sich nun das Cimbern-Kuratorium, das überdies zusammen mit dem Landkreis Landshut freundschaftliche Bande mit der Provinz Vicenza pflegt. Dort leben seit dem 11. Jahrhundert jene Zimbern, deren Vorfahren einst aus Bayern auswanderten, um in den norditalienischen Bergen ihr Glück zu suchen. Sie heißen so, weil man sie irrtümlich für Nachkommen der germanischen Zimbern hielt.

Das Cimbern-Kuratorium widmet sich nicht nur dem Erhalt der alten Sprache, sondern organisiert regelmäßige Besuchsfahrten nach Italien sowie Fortbildungen und Vorträge. Vorsitzender Jakob Oßner blickt optimistisch in die Zukunft des Zimbrischen: "Unsere Mitgliederzahl steigt, unsere Homepage und das digitale Wörterbuch werden eifrig aufgerufen." 2018 stieß ein Zimbrisch-Sprachkurs an der Volkshochschule Vilsbiburg auf große Resonanz. Damit sind die Erfolgsmeldungen noch nicht zu Ende. Am Dienstag wurde das Cimbern-Kuratorium in München mit dem Bayerischen Dialektpreis ausgezeichnet, quasi als Lohn für das stetige Bemühen, Sprache und Kultur der Zimbern zu fördern.

In Italien bildet vor allem der Ort Lusern ein Zentrum der zimbrischen Kultur. Luigi Nicolussi Castellan vom Dokumentationszentrum Lusern nennt nicht ohne Stolz alte bairische Wörter, die dort noch zu hören sind: Kronebit (Wacholder) zum Beispiel, oder Pruach (Hose), ein Begriff, der selbst in Altbayern längst vergessen ist.

Das Zimbrische, das bis zum Krieg noch für Zehntausende Muttersprache war, wurde danach vom Italienischen verdrängt. Die Luserner aber wollten sich mit dem Untergang ihrer Kultur nicht abfinden. Ihr Eifer hat dafür gesorgt, dass Rom im Jahr 2001 die Zimbern als sprachliche Minderheit anerkannte. Heute sagen die Zimbern selbstbewusst: "Tzimbar lentak" - das Zimbrische lebt.

Das wird man an diesem Wochenende auch im niederbayerischen Velden spüren können, wo das Cimbern-Kuratorium zusammen mit den Zimbern aus Italien sein 50-jähriges Bestehen feiert. Unter anderem mit einem italienisch-zimbrischen Markt (Samstag ab 8 Uhr) sowie mit einem Symposium, bei dem Sprachexperten über die Zimbern und ihre Sprache diskutieren werden (10 bis 13 Uhr, Schul-Aula). Am Nachmittag folgt das Festprogramm mit Musik, am Sonntag ist Marktbetrieb und eine Zimbrische Messe (10.15 Uhr). Infos unter www.cimbern-kuratorium-bayern.de.

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SZ vom 04.09.2019
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