Süddeutsche Zeitung

CSU-Parteitag:Söders überraschende Attacke auf die Freien Wähler

Lesezeit: 3 min

Der Ministerpräsident will seinem Regierungspartner einige Aussagen nicht mehr durchgehen lassen.

Von Wolfgang Wittl, München

Die Attacke kommt überraschend. Dass Markus Söder sich am CSU-Parteitag AfD und Grüne vorknöpfen würde, war zu erwarten. Auch SPD, FDP und sogar die Linkspartei bekommen kleine Rempler ab. Aber die Freien Wähler? Bislang war der Ministerpräsident ausgesprochen pfleglich mit seinem Regierungspartner umgegangen, bis tief in die Verästelungen seiner CSU hat er verfügt: keine Angriffe - auch wenn Parteifreunde regelmäßig ein Bedürfnis verspüren. Jetzt weicht Söder das Friedensabkommen selbst auf. Am 15. März sind Kommunalwahlen in Bayern, der CSU-Chef hat den Kampf um die Landratsämter und Rathäuser eröffnet.

Man werde sich im Wahlkampf nicht gegenseitig in die Suppe spucken, hatte FW-Chef Hubert Aiwanger dem Münchner Merkur frohgemut versichert. Nun, ein bisschen spritzt es schon in Söders Rede, als er die Freien Wähler anklagt. Er müsse sich sehr wundern, was er da lese und höre. Am Regierungstisch mitentscheiden und im Land nichts davon wissen wollen? "Alles, was in München beschlossen wird, wird von beiden beschlossen, von CSU und Freien Wählern", stellt Söder klar. "Von den Entscheidungen in München kann sich keiner vom Acker machen. So etwas dürfen wir nicht durchgehen lassen. Auch nicht unseren Freunden von den Freien Wählern."

Söders Spitze richtet sich gegen den eigenen Stellvertreter, gegen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Schon lange mosern CSU-Leute, dass Aiwanger draußen das Gegenteil von dem erzähle, was er im Kabinett mittrage. Söder erwähnt Aiwanger nicht namentlich, man weiß auch so, wen er meint. Der ländliche Raum bleibe das Stammland der CSU, "das schaffen wir auch ohne Messer", ruft Söder unter lautem Beifall. Es ist die Replik auf Aiwangers kühne These, wonach Bayern und Deutschland sicherer wären, "wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte".

Auch Söders "persönliches Bekenntnis" zur Landwirtschaft ist als Kampfansage an die FW zu werten. Die Bauern seien "das Herzstück unserer Politik", er könne ihren Ärger verstehen, wenn sie an allem Schuld sein sollen. Nach seiner Hightech-Agenda kündigt Söder den nächsten Schwerpunkt an, "einen neuen Jahrhundertvertrag mit unserer Landwirtschaft". Man müsse überlegen, wo in zwanzig Jahren die Perspektiven für die Landwirte lägen. Die CSU inszeniert sich bei ihrem Parteitag als Hüterin der Ressourcen. Sie verzichtet auf Einweggeschirr, aus Steckdosen fließt weitgehend Ökostrom, Plastikhüllen für Ausweise wurden abgeschafft. "Wir reden nicht nur über Nachhaltigkeit, wir machen es", sagt Generalsekretär Markus Blume zum Auftakt.

Bis dahin läuft die Regie reibungslos, das wird sich im Lauf der zwei Tage ändern. Etwa wenn der junge oberfränkische Delegierte Niklas Stadelmann dem Parteichef Beliebigkeit vorwirft. Man dürfe sich nicht nur die Wünsche der Bevölkerung zu eigen mache, sondern müsse dem eigenen Wertekompass folgen. "Da liegt einiges im Argen bei uns", findet Stadelmann. Der sichtlich genervte Söder hätte jetzt gerne, dass Sitzungsleiter Joachim Herrmann ordnend eingreift, doch Stadelmann lässt sich nicht beirren: "Da müsst ihr jetzt durch, ich habe dem Parteivorsitzenden auch eine Stunde zugehört." Auch an der Frauenquote äußert er Kritik, an der Art des Zustandekommens wie am Inhalt. Es ist Vorbote für das, was am Samstag in der Aussprache zur Parteireform mit voller Wucht losbricht. Immer wieder müssen Söder und Blume ans Mikrofon treten, damit die Choreografie halbwegs erhalten bleibt.

Zumindest die Wahlen verlaufen plangemäß. Söder freut sich über 91,3 Prozent, fast vier Punkte mehr als im Januar. Nur Parteiliebling Manfred Weber erhält mit 93,5 Prozent ein besseres Ergebnis, aber weniger als zuletzt, als er noch nicht offensiv für Schwarz-Grün im Bund geworben hatte. Söder und Weber bleiben vorerst die gefühlte Doppelspitze der CSU. Es war kein Zufall, dass Weber gebeten wurde, Söder als Parteichef vorzuschlagen. Einen Dämpfer muss Dorothee Bär hinnehmen, sie erzielt mit 71,6 Prozent das mit Abstand schlechteste Ergebnis aller Stellvertreter. Sollte Söder mit dem Gedanken gespielt haben, die Digitalministerin als Listenführerin für die Bundestagswahl ins Auge zu fassen, wird er darüber ins Grübeln kommen.

Die weiteren Vizes Melanie Huml, Angelika Niebler und Martin Sailer liegen mit knapp 85 Prozent alle nahezu gleichauf. Der Augsburger Landrat Sailer rückt anstelle des scheidenden Augsburger Oberbürgermeisters Kurt Gribl in den engsten Führungszirkel ein - und bildet symbolisch auch den Durchmarsch der Söder-Leute ab. Beide kennen sich aus der Jungen Union, Sailer sollte einst nach Söders Willen den Rivalen Weber als JU-Landeschef verhindern. Bemerkenswert ist das Comeback von Ilse Aigner. Die Landtagspräsidentin verbessert sich bei den Vertretern der Bezirksverbände auf Platz eins vor Innenminister Joachim Herrmann und Finanzminister Albert Füracker.

Dass die CSU eine Mitmachpartei sein will, zeigt sich nur bei den teils hitzigen Debatten. Die Tribüne in der Olympiahalle bleibt bei dem schönen Herbstwetter größtenteils leer, obwohl die Parteizentrale Tausende Einladungen verschickt hatte. Der erhoffte Basisparteitag fällt mangels Basis aus. 4000 junge Buchen hat die CSU gekauft, um ihre neue Liebe zur Umwelt zu demonstrieren. Mancher Gast muss schon zwei oder drei Setzlinge nach Hause mitnehmen, damit alle Bäumchen einen Abnehmer finden.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2019
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