Süddeutsche Zeitung

Politik in der Pandemie:Eine Extrawurst für die CSU

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Die Partei will sich bei der Aufstellung ihrer Kandidaten das erlauben, was sie anderen verbietet: eine Versammlung mit 200 Teilnehmern.

Kommentar von Katja Auer

Die CSU will bis zu 200 Leute versammeln, in persona wohlgemerkt, um die Kandidaten für die Bundestagswahl aufzustellen. Sie will sich also rausnehmen, was ihr Chef allen anderen im Land zu Recht verbietet. Dass die CSU zweierlei Maß anlegen will, ist unerhört. Und fahrlässig dazu, schließlich ist es CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder, der seine Warnungen vor dem Coronavirus so beständig wiederholt wie der alte Cato seine Forderung, Karthago zu zerstören. Zurzeit dürfen keine zwei erwachsenen Kinder ihre Mutter besuchen. Wie soll es da nachvollziehbar sein, wenn Dutzende Parteimitglieder in einem Saal zusammenkommen?

Andere Parteien geben Präsenzpläne auf, die CSU bleibt bislang starrsinnig.

Es gebe ja ein Hygienekonzept, heißt es aus der Parteizentrale. Das gibt es bestimmt, jeder Wirt hat eines, auf Grundlage dessen er gerne Gäste bewirten würde. Jeder Einzelhändler, der Kunden einzeln durch den Laden lotsen könnte und dennoch nicht aufsperren darf. All die Einschränkungen sind aus Sicht der CSU notwendig, um die Pandemie einzudämmen, da kann es für eine Parteiversammlung keine Ausnahme geben.

Zumal es keinen verfassungsrechtlichen Grund mehr gibt, die rechtlichen Voraussetzungen für alternative Formen sind längst geschaffen. Die CDU hat gerade erst einen Parteivorsitzenden in einer virtuellen Veranstaltung gewählt, der Bayerische Landtag tagt immer noch in halber Besetzung und selbst für Stadtratssitzungen ist eine rechtlich tragfähige Lösung gefunden worden, damit nicht alle Mitglieder ins Rathaus kommen müssen.

Die Demokratie darf wahrlich nicht leiden unter der Pandemie, sie wird durch das fortwährende Regieren per Verordnung ohnehin hart belastet. Wenn es aber um eine Extrawurst geht, die die Kandidatenkür im Wahljahr zwar erleichtern mag, aber nicht notwendig ist, kann die CSU dafür kein Verständnis erwarten. Und dass es allweil schon so war, reicht nicht als Argument. Wer den Maßstab selbst so hoch hängt wie Söder seit Monaten, darf sich nicht drunter wegducken.

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Quelle:
SZ vom 12.02.2021
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