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Mehr Transparenz angestrebt:CSU ringt sich zu einer "Lex Sauter" durch

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Die Fraktion will ein Abgeordnetengesetz auf den Weg bringen, das in vielen Punkten schärfer ist als manche erwartet hatten. So sollen die Volksvertreter ihre Nebeneinkünfte in voller Höhe offenlegen - ein Versuch, nach der Masken-Affäre Vertrauen zurückzugewinnen.

Von Andreas Glas, München

Zwischen Konferenzsaal und Raum N 413 liegen im Landtag nur wenige Meter. In Raum N 413 hat der Ärger für die CSU-Fraktion angefangen. Razzia im Büro von Alfred Sauter, Mitte März war das, da erreichte die Affäre um dubiose Deals mit Corona-Schutzmasken das Maximilianeum. Nun, Mitte Mai, sitzt Parteichef Markus Söder im Konferenzsaal, gleich nebenan - und setzt einen Strich unter den Skandal, jedenfalls rhetorisch. Die CSU-Fraktion habe jetzt "klar Schiff" gemacht, sagt Söder über den Gesetzentwurf der Fraktion für ein schärferes Abgeordnetengesetz. "Wir haben damit auch ein Stück weit einen Abschluss erzielt aus der Maskenaffäre heraus."

Über Jahre hinweg hatte sich die CSU im Landtag gegen schärfere Regeln für die Nebentätigkeit von Abgeordneten gesperrt. Eben bis zur Affäre um Alfred Sauter, Ex-Justizminister und bis vor kurzem Mitglied der CSU-Fraktion. Er soll, wie der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, hohe Provisionen für die Vermittlung von Masken an Bund und Freistaat kassiert haben. Nüßlein und Sauter stehen nun im Fokus der Staatsanwaltschaft, beide haben die Korruptionsvorwürfe bestritten. Doch das öffentliche Entsetzen war so groß, dass CSU-Chef Söder "um die grundlegende Glaubwürdigkeit, Integrität und das Vertrauen in die gesamte Partei" fürchtete - und Ende März nicht nur einen strengeren Verhaltenskodex für CSU-Mandatsträger versprochen hat, sondern auch eine "tief greifende Reform" des Abgeordnetengesetzes. Ihren Vorschlag für eine Reform hat die CSU-Fraktion also in dieser Woche beschlossen. Aber geht der Vorschlag weit genug, um Vertrauen in die CSU wieder herzustellen?

"Unser Gesetzentwurf", sagt Fraktionschef Thomas Kreuzer, gehe teils weit über die bisherigen Vorschläge "der Opposition hinaus". Was in jedem Fall stimmt: Das Papier deckt sich in vielen Punkten mit dem Gesetzentwurf, den kürzlich die Grünen im Landtag vorgelegt haben. Deren Kernforderungen finden sich auch im CSU-Entwurf. Hierzu gehört eine Offenlegungspflicht der Nebeneinkünfte in voller Höhe ab dem ersten Euro. Und ein Verbot bezahlter Lobbytätigkeit. Letzteres klingt selbstverständlich, wäre aber neu. "Ein großer Erfolg für uns Grüne", sagt die Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze. Die CSU habe "das Wesentliche aus unserem Entwurf übernommen".

Was noch im CSU-Papier steht, man könnte es als "Lex Sauter" bezeichnen: Dass Abgeordnete keine Provisionen von Dritten annehmen dürfen, die Immobiliengeschäfte mit dem Freistaat machen oder ihm Waren und Dienstleistungen vermitteln. Hier ist die CSU teils strenger als die Grünen. In deren Gesetzentwurf heißt es zwar, dass Abgeordnete nicht nur Provisionsgeschäfte für Dritte offenlegen müssten, sondern auch eigene Geschäfte - von einem Verbot ist bei den Grünen aber keine Rede. Nicht weil man das ablehne, sondern weil unklar sei, ob dies rechtlich erlaubt ist, sagt Schulze.

"Wir wollen kein Parlament ohne Freiberufler und Selbständige. Aber eben auch nicht, dass jemand fremde Interessen gegen den Staat vertritt und dabei selbst Geld vereinnahmt", sagt Fraktionschef Kreuzer. Allerdings, und hier bleibt die CSU hinter einer früheren, strengeren Fassung ihres Gesetzentwurfes zurück: Vertritt ein Abgeordneter fremde Interessen nicht gegenüber dem Freistaat, sondern gegenüber einer Kommune und nimmt dafür Geld, dann bleibt dies auch künftig erlaubt. Die "Lex Sauter" fällt am Ende also weniger streng aus als es die Arbeitsgruppe um Kreuzer und den früheren Justizminister Winfried Bausback zunächst beabsichtigt hatte. Das Verbot bezahlter Interessenvertretung auf Gemeindeebene wurde wieder gestrichen, nachdem vor allem die Anwälte in der CSU-Fraktion dagegen protestiert hatten. Ihnen verbietet der Entwurf nun also lediglich, Mandanten gegenüber Ministerien oder Landesämtern zu vertreten - nicht jedoch gegenüber kommunalen Behörden.

"Das ist ein kritischer Punkt, den muss man noch mal diskutieren", sagt SPD-Fraktionschef Horst Arnold. Überhaupt müsse da noch "einiges nachgeschärft" werden, etwa mit Blick auf die speziellen Probleme bei Rechtsanwälten. Einer dieser Anwälte ist Josef Schmid, der in München viereinhalb Jahre lang Zweiter Bürgermeister war, bevor er im Herbst 2018 für die CSU in den Landtag einzog. Seitdem tut er neben seinem Abgeordnetenmandat unter anderem, was ihm als Bürgermeister in München verboten gewesen wäre: Er berät Privatunternehmen beim Erstellen von Bebauungsplänen. Nach der finalen Fassung des CSU-Gesetzentwurfs dürfte Schmid dies auch weiterhin tun. Einen "großen Wurf" nennt er das Papier. "Es gibt Einschränkungen", sagt Schmid - aber nur solche, die gerechtfertigt seien. Auch das Justizministerium hatte die CSU-Fraktion davor gewarnt, dass ein Verbot bezahlter Interessenvertretung für Dritte gegenüber kommunalen Behörden verfassungswidrig sein könnte.

Unter anderem noch im Gesetzentwurf der CSU-Fraktion steht, dass Freiberufler und Selbständige die Namen ihrer Vertragspartner offenlegen müssen - allerdings nur bei einzelnen Einkünften über 1000 Euro und nur gegenüber dem Landtagspräsidium. Das heißt: Für die Allgemeinheit wäre auch weiterhin nicht nachvollziehbar, wer die Kunden eines Abgeordneten sind - was die Voraussetzung wäre, um mögliche Interessenkonflikte transparent zu machen. Auch hier dürften jedoch rechtliche Hürden mit eine Rolle gespielt haben, die einer Offenlegung von Vertragsinhalten für die breite Öffentlichkeit im Weg stehen könnten.

Mehr Transparenz würde der CSU-Entwurf derweil bei Unternehmensbeteiligungen schaffen. Ihre Anteile müssten die Abgeordneten demnach ab fünf Prozent offenlegen, statt wie bisher ab 25. Die Grünen wollen hier allerdings eine Veröffentlichung bereits ab drei Prozent, die SPD sogar ab 2,5 Prozent. Ein paar Punkte gibt es also noch, bei denen man "noch mal verhandeln" müsse, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Schulze.

CSU-Fraktionschef Kreuzer möchte das neue Abgeordnetengesetz noch vor der Sommerpause in den Landtag einbringen. Zunächst werde die CSU mit dem Koalitionspartner, den Freien Wählern, über das weitere Vorgehen sprechen, dann mit allen anderen Landtagsfraktionen außer der AfD. "Und am Ende schauen wir, was rauskommt", sagt Kreuzer. Er wünscht sich einen gemeinsamen, interfraktionellen Gesetzentwurf. "Möglichst breit" soll der Konsens sein, "das wäre vernünftig". Und was sagen die Freien Wähler zu den Vorschlägen, die die CSU als Verhandlungsbasis präsentiert hat?

Wie Grüne und SPD beanspruchen auch die FW für sich, dass im CSU-Entwurf "überwiegend übernommen wurde", was man selbst schon länger fordere, sagt Landtagsvizepräsident Alexander Hold. Er sagt aber auch: "An ein paar Punkten muss man vielleicht noch nachschärfen." Dass Abgeordnete keine Geschäfte für Dritte mit dem Freistaat mehr machen dürfen, sei absolut richtig. Aber wie die Grünen ist auch Hold der Meinung, dass es womöglich eine strengere Regelung brauche für Geschäfte, die Abgeordnete selbst mit dem Freistaat machen. Man dürfe "möglichst wenig Schlupflöcher zulassen. Alles, was irgendwie machbar ist, sollten wir nach Möglichkeit tun". Laut FW-Mann Hold wird Mitte kommender Woche ein erstes Gespräch mit der CSU stattfinden.

Ist die CSU-Maskenaffäre nun also abgehakt? Wenn man sehe, wie lange die CSU sich gegen schärfere Transparenzregeln gewehrt habe, dann habe sich die CSU-Fraktion mit ihren Vorschlägen "von einem Urzeitplaneten in die Moderne gebeamt", sagt SPD-Fraktionschef Arnold durchaus anerkennend. Nun müsse man aber abwarten, ob die CSU bereit sei, "im Detail noch Probleme zu lösen". Dann werde man auch sehen, wie glaubwürdig das Bemühen um Transparenz sei. Auch für Grünen-Fraktionschefin Schulze ist die Maskenaffäre "nicht erledigt". Sie erwarte "weiterhin eine lückenlose Aufklärung". Dass sich die CSU beim Abgeordnetengesetz "in unsere Richtung bewegt, bedeutet nicht, dass wir die Skandale, die stattgefunden haben, ruhen lassen", sagt Schulze.

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SZ vom 14.05.2021
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