Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Bayern führt freiwillige Corona-Tests für Kita-Kinder ein

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Ministerpräsident Markus Söder verordnet den Betreibern von Betreuungseinrichtungen eine Angebotspflicht - zweimal pro Woche. Ob Eltern das für ihre Kinder in Anspruch nehmen, dürfen sie selbst entscheiden.

Von Andreas Glas und Clara Lipkowski, München/Nürnberg

Lange wurde darüber geredet, nun sollen sie auch in Bayern kommen: Corona-Selbsttests für Kinder in Kindertagesstätten. Es gebe eine "Angebotspflicht" für die Träger von Kitas, für die Kinder seien die Tests dagegen freiwillig, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag über einen entsprechenden Beschluss der Staatsregierung. Soll heißen: Während die Kitabetreiber die Tests für die Kinder auf jeden Fall anbieten müssen, dürfen Eltern selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder auf das Coronavirus testen oder nicht. Funktionieren sollen die Tests über Gutscheine, mit denen die Eltern pro Kind und Woche zwei kostenlose Tests in Apotheken abholen können. Ob Abstrich oder etwa Spucktest, das können die Eltern selbst entscheiden.

"Die Eltern können den Test dann zu Hause mit ihren Kindern machen", sagte Söder. Erzieherinnen und Erzieher müssen sich weder selbst um das Testen kümmern, noch finden die Tests direkt in den Einrichtungen statt. "Kindgerecht" und "elterngerecht" nennt Söder die Lösung. Eltern könnten beim Testen ihrer Kinder "noch mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit reinbringen" als das Kita-Personal.

Auch wolle man die Beschäftigten in den Kitas nicht überfordern, sagte Söder. Dort seien derartige Tests schwieriger umzusetzen als in den Schulen. Weil kleinere Kinder "vielleicht nicht so ruhig sitzen", sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Außerdem wurden am Dienstag Lockerungen für Kitas, Kindergärten und andere Kinderbetreuungseinrichtungen bekannt gegeben: Ab dem 7. Juni ist dort bis zu einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 eingeschränkter Regelbetrieb in festen Gruppen möglich.

Beim Testen nun soll es also freiwillig zugehen. Da stelle sich die Frage, wie viele Kinder man erreiche, sagt der Würzburger Arzt Johannes Liese. Letztlich sei das Testen wirksamer, je mehr Kinder mitmachten. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin arbeitet derzeit an einer Studie zu Corona-Tests in Kindertagesstätten, durchgeführt von der Würzburger Uniklinik und Universität.

Das Ziel: in absehbarer Zeit leicht anwendbare Testmöglichkeiten zu entwickeln. Denn das Virus werde die Gesellschaft noch länger beschäftigen, ist sich Liese sicher. Im Herbst könnten sich wieder mehr Menschen anstecken. Testen in Kitas könne helfen, das Geschehen einzudämmen. Das gilt auch, wenn immer mehr Menschen geimpft sind. Trotz Impfschutz kann man sich weiter mit dem Virus infizieren, ein Vakzin schützt in der Regel vor einem schweren Verlauf.

Wie getestet werde, ob mit Mundspüllösung, Abstrich aus Rachen oder Nase, als PCR oder nicht, sei letztlich nicht entscheidend, sagt Liese. "Entscheidend ist, überhaupt zu testen." Für die Würzburger Studie werden in einer zweiten Runde seit Anfang Mai zwölf Wochen lang in neun Würzburger Kitas Kinder getestet - zweimal die Woche und zwar daheim. Relativ viele, etwa zwei Drittel der Kinder, nehmen teil. Sie bekommen von ihren Eltern nach dem Aufstehen einen Löffel Leitungswasser, schlucken ihn aber nicht herunter, sondern spucken ihn in ein Röhrchen. Die Mundspülung wird dann auf Viruslast untersucht. Parallel können Eltern zusätzlich Abstriche machen.

Die Eltern zögen mit, die Kinder ebenfalls, sagt der Arzt. Zu wissen, dass nicht nur die eigenen, sondern auch die anderen Kinder negativ sind, "hat ihnen ein Gefühl von Sicherheit gegeben". Zweimal in der Woche zu testen, wie nun von der Regierung geplant, hält er für einen sinnvollen Rhythmus - wenn dieser eingehalten werde. Nur regelmäßige Tests gelten als aussagekräftig.

Besonders hoch war die Nachfrage nach Corona-Tests für Kitakinder bisher offenbar nicht. In einer Nürnberger Kindertagesstätte im Stadtteil Gostenhof berichtet die Leiterin, nur wenige Eltern hätten nach Tests gefragt und auch nur dann, wenn sie das Thema gerade "aufgeschnappt" hätten. Ähnlich ist das Bild bei Schwester Christine Gindhart, die das Theresia-Gerhardinger-Haus in Neunburg vorm Wald in der Oberpfalz leitet. Das Thema sei höchstens mal aufgekommen, wenn ein Kind Symptome hatte.

Tatsächlich wurden erst kürzlich Tests für Kleinkinder überhaupt freigegeben. Kinder sind zudem in der Pandemie bislang nicht als große Überträger aufgefallen, das bestätigt auch der Würzburger Arzt Liese. In der Kita in Nürnberg und der in Neunburg gab es unter den Kleinen bisher keinen Corona-Fall. Jedoch ist auch klar, dass Kinder, wenn sie infiziert sind, seltener Symptome zeigen - und so das Virus unbemerkt weitergeben können. Auch deshalb helfe es, Kinder zu testen, sagt Liese.

Kommen die Gutscheine, werde man diese natürlich anbieten, sagt Schwester Christine und zeigt sich erleichtert, dass nicht in der Kita getestet werden müsse. "Prima" findet daher die Teststrategie auch Markus Tremel, der vier Kitas des Bayerischen Roten Kreuzes im Hofer Land koordiniert. Er gibt zu bedenken: Immer wieder gebe es Eltern, die Regeln in der Pandemie nicht ernst nähmen, Abstand, Masketragen etwa. "Was machen wir mit denen, die Tests ablehnen oder uns Positivergebnisse einfach nicht melden?"

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SZ vom 19.05.2021
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