Süddeutsche Zeitung

Verbot von Indoorsport:Ärger um die Trainingspause

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Der Freistaat Bayern hat jede Art von Hallensport untersagt. Juristisch ist das erklärbar, die Sportverbände aber sehen darin eine Maßnahme "ohne Ziel und ein falsches Signal in dieser schwierigen Zeit".

Von Andreas Glas

Zwischen Muskelkater und Gefühlskater lagen am Donnerstag etwa acht Stunden. Viele Freizeitsportler haben jubiliert, als kurz nach 14 Uhr diese Meldung über den Nachrichtenticker lief: "Schließung von Fitnessstudios ist unzulässig." Fitnessstudiogänger fluteten die sozialen Netzwerke mit Gefällt-mir-Daumen, Herzchen und, klar, Bizeps-Emojis. Dann, kurz nach 22 Uhr, diese Meldung: "Bayern verbietet ab Freitag wegen Corona-Krise Indoor-Sport". Die Vorfreude auf den nächsten Muskelkater war schlagartig dahin, die Jubel-Emojis wichen den Wut-Smileys, dazu solche Kommentare: "Diktatur", "Machtgehabe", "König Markus hat gesprochen".

Noch am späten Donnerstagabend bemühte sich Klaus Holetschek (CSU), den Eindruck zu zerstreuen, dass sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Anflug monarchistischer Allmachtsfantasien über einen Richterspruch hinwegsetzt. "Die Staatsregierung respektiert selbstverständlich den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs", sagte Holetschek, Staatssekretär im Gesundheitsministerium. Wieso lässt die Staatsregierung die Fitnessstudios dann nicht öffnen? Wieso tut die Politik das Gegenteil und lässt als Reaktion auf den Richterspruch auch Tennishallen und Yogastudios zusperren? Wer das verstehen will, muss die Begründung des Verwaltungsgerichtshofs lesen.

Tatsächlich ist es so, dass die Richter die Schließung der Fitnessstudios nicht deshalb für unrechtmäßig erklärt haben, weil sie diese Corona-Maßnahme für überzogen halten - sondern weil die Schließung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Wenn die Staatsregierung erlaubt, allein oder mit Angehörigen des eigenen Haushalts in einer Halle zu trainieren oder zu zweit drin Tennis zu spielen, dann müsse dies "auch für Fitnessstudios gelten". Die Fitnessstudios hätten also trotz Gerichtsbeschluss wohl nur für zwei Hausstände gleichzeitig öffnen dürfen. Das hätte sich für die Betreiber kaum rentiert. Dazu urteilten die Richter: "Das derzeitige Infektionsgeschehen rechtfertige aus Gründen des Schutzes von Leben und Gesundheit die für den Bereich des Freizeitsports getroffenen Beschränkungen."

Die Reaktion der Staatsregierung, nun sämtlichen Indoor-Sport zu verbieten, gefällt nicht jedem, folgt aber einer gewissen juristischen Logik: Wenn es gleichheitswidrig ist, Fitnessstudios zu schließen, während etwa Tennishallen offen bleiben, müssen eben alle Sporthallen zusperren, um Gleichheit herzustellen - jedenfalls so lange, bis die Infektionszahlen wieder unter Kontrolle sind. Diese Logik der Staatsregierung hatte sich am Donnerstagnachmittag abgezeichnet. "Bei dem derzeitigen besorgniserregenden Anstieg der Neuinfektionen muss der Infektionsschutz absoluten Vorrang haben", teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mit. Er kündigte an: "Wir prüfen den Beschluss des VGH und die Entscheidungsgründe und werden reagieren."

Die Entscheidung des Freistaats kam schnell, das Verständnis dafür ist gering

Es war also keine ganz große Überraschung, als am späten Abend das Indoor-Sportverbot kam. Überraschend war da eher, wie schnell die Staatsregierung reagierte. Ein Erklärungsansatz könnte in diesem Satz von Holetschek stecken: "Die Staatsregierung zieht damit eine Entscheidung vor, die Bayern bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am kommenden Montag ohnehin vorgeschlagen hätte." Offenbar kam der Gerichtsbeschluss der Staatsregierung gelegen, quasi als hochrichterlicher Anstoß, um die zusätzliche Lockdown-Maßnahme schneller durchzusetzen als zunächst geplant.

Er habe "kein Verständnis für diese überhastete Maßnahme", kritisiert Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV). Es handle sich um ein Verbot "ohne Ziel und ein falsches Signal in dieser schwierigen Zeit". Auch der Bayerische Tennis-Verband (BTV) reagiert entsetzt. "Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Begründung, mit der pauschalen Schließung aller Sporthallen des Individualsports die gerichtliche Öffnung der Fitnessstudios zu verhindern, ist für uns nicht akzeptabel. Jede einzelne dieser Maßnahmen sollte als Hauptgrund den Infektionsschutz beinhalten", teilt BTV-Präsident Helmut Schmidbauer mit. Ein Tenniseinzel in einer belüfteten Halle stelle "kein Risiko dar und ist mit der Aktivität zahlreicher Personen in einem Fitnessstudio nicht vergleichbar".

In den Schulen soll der Hallensport weitergehen

Zustimmung für das Indoor-Sportverbot kommt von Martin Hagen, FDP-Fraktionschef im Landtag. Dass erneut ein Gericht die Staatsregierung korrigiert hat, zeige zwar, dass viele Corona-Maßnahmen "in sich nicht schlüssig sind". Bei körperlicher Anstrengung "mit erhöhter Atmung" sehe er aber "ein überdurchschnittliches Infektionsrisiko", anders als in Gaststätten. Das Verbot sei "nachvollziehbar", sagt Hagen.

In den Schulen soll der Hallensport dagegen weitergehen. Ein Widerspruch zum Indoor-Verbot beim Freizeitsport? Nein, heißt es aus dem Kultusministerium. Der Schulsport habe "besondere Bedeutung". Das Ministerium betont, dass in der Pandemie gemeinsamer Sportunterricht von Mädchen und Buben möglich sei, Klassen also nicht mehr gemischt werden müssten. Es gebe dann "eine feste Schülergruppe, die im Klassenunterricht und in der Schule ohnehin in engem räumlichen Kontakt steht".

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SZ vom 14.11.2020
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