Süddeutsche Zeitung

Feiern während Corona:Methoden gegen den Sittenverfall

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Nein, wirklich lustig ist es für junge Leute und teils mit ihnen derzeit nicht. Aber was man sich in mancher bayerischen Stadt einfallen lässt, um ihrer Herr zu werden, ist auch nicht immer lustig.

Glosse von Deniz Aykanat

Wer sich derzeit zu später Stunde unter freiem Himmel in der Innenstadt einer der wirklich zahlreichen hübschen bayerischen Städte eine Halbe Bier genehmigen will, hat zwei Probleme: Wo kriegt man im an Spätis und Kiosken armen Bayern so spät noch eine Flasche, zumal eine mit kühlem Inhalt? Und wo kann man - wenn man also an eine rankommt - diese Flasche dann auch austrinken? Ohne danach mit aufs Revier genommen zu werden.

Regensburg zum Beispiel. Da galt zunächst: kein Alkohol in der Altstadt! Nein halt, doch nur vorm Dom, an diesem Platz, am nächsten und am übernächsten! Und auf der Jahninsel wird nicht nur nichts getrunken, die darf gleich gar nicht betreten werden! Aber erst ab 23 Uhr! Vorher darf man! Aber jetzt mit Alkohol oder ohne oder was?!

Es ist ein Sommer voller Ausrufe- und Fragezeichen, in dem sich junge Menschen eher nicht so frei fühlen. Verschiedenes wird ausprobiert, um dem Freiheitsdrang Einhalt zu gebieten. Im Englischen Garten hat die Polizei "die Präsenz erhöht", wie es so heißt. Mehr ist mehr. Dort, in einem der größten Stadtparks der Welt, schafft es das Partyvolk regelmäßig, die Abstandsregeln zu missachten. Unter anderem. Oder in Bamberg. In dieser Stadt ist der Haupt-Feiertatort eine Brücke, die Untere Brücke. Hier soll grelles Licht die Probleme lösen. Mit Flutlicht soll die Atmo derart versaut werden, dass sich der Pulk freiwillig verdünnisiert. Es will schließlich niemand ausgeleuchtet werden wie auf einem OP-Tisch.

So richtig konnte der Sittenverfall trotzdem nicht gestoppt werden. Dunkle Ecken finden sich immer und Polizisten können nicht überall sein. In Regensburg werden jetzt Sitz-Raves unter freiem Himmel am Schloss Pürkelgut ausprobiert. Falls dann immer noch illegaler Partybedarf in der Altstadt besteht, hilft vielleicht ein Blick nach München.

Wer seine Jugend in der Landeshauptstadt verbracht hat und in Ermangelung von Taxigeld öfters mal eine halbe Nacht am Odeonsplatz auf die erste U-Bahn nach Hause gewartet hat, weiß: Die einzig wahre Abschreckung ist es, wenn "An der schönen blauen Donau" von Johann Strauss in Dauerschleife durch die Lautsprecher über den Bahnsteig scheppert.

Passt eh besser nach Regensburg.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2021
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