Süddeutsche Zeitung

AfD in Bayern:Abgang der Beleidigten

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Die Umsturz- und Bürgerkriegsfantasien, die AfD-Politiker in einen Chat schrieben, werden zum Problem für die Partei am rechten Rand. Der Landtag ist entsetzt, der Verfassungsschutz prüft. Verliert die AfD nun auch Mitglieder und Wähler?

Kommentar von Johann Osel, München

Nein, Anne Cyron hat nicht mit dem Fuß aufgestampft, vielleicht noch allein draußen vor der Tür. Die AfD-Abgeordnete verteidigte dieser Tage bei einer Pressekonferenz ihren umstürzlerischen Chat-Beitrag ("Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden"). Sie habe in der AfD-Telegram-Gruppe, in der wilde Revolutionsfantasien ausgetauscht wurden, nur in Sorge um das Land vor Bürgerkrieg gewarnt, sie werde arglistig falsch interpretiert und verleumdet. Sprach's und dampfte ab, Nachfragen unerwünscht.

Das Fußstampfen, eine Mischung aus Käfer-Zertreten und Aufgalopp, hätte da noch gut gepasst. Alice Weidel hat genau so ja mal im Bundestag eine internettaugliche Einlage dargeboten, als sie bei einer saftigen SPD-Rede das Plenum verließ. Ohnehin ist der hurtige Abgang, wenn's brenzlig wird, längst gute AfD-Tradition. Erinnerlich ist im Landtag etwa eine Unterrichtung der Presse 2019, nach turbulenter Fraktionssitzung. Eine kritische Frage? Abbruch nach knapp drei Minuten, dann beleidigter Exodus. Der damalige Fraktionschef Ingo Hahn blickte drein, als habe er soeben eine ganze Zitrone verspeist.

Der Vorhang fällt in solchen Situationen zwar nicht, aber zumindest Protagonisten treten ab. Daher sei Brecht erlaubt: Und alle Fragen offen! Vieles möchte man ja nun tatsächlich wissen: Wie geht es weiter mit der AfD in Bayern? Was das Klima im Landtag betrifft, bot jetzt der Donnerstag Klarheit. Die Fraktionen stellten sich gemeinsam gegen die AfD. "Unsere Demokratie vor ihren Feinden schützen" hieß der Dringlichkeitsantrag dazu. Etwa Fabian Mehring (FW) sieht "die Brandmauer zwischen unappetitlichem Rechtspopulismus und illegalem Rechtsextremismus gesprengt".

Und Landtagspräsidentin Ilse Aigner betonte, auch ein Nicht-Widersprechen in solchen Chats halte sie für inakzeptabel. Laut Innenministerium prüft derweil der Verfassungsschutz die Chats "intensiv"; angesichts der "Bürgerkriegspropaganda" könnten womöglich auch die hohen Hürden des Bundesverfassungsgerichts zur Beobachtung von Abgeordneten genommen sein.

Druck auf die AfD von allen Seiten. Spannend aber auch: Bröckelt sie von selbst? Wegen der Chats soll es prompt Austritte gegeben haben, manche sagen "reihenweise". Kommunale Funktionäre berichten von Anrufen "völlig erschrockener" Wähler, oft frühere CSU-Sympathisanten, die sagten: gegen Flüchtlinge, gegen Impfpflicht, gegen das "System der Altparteien", alles ja. Aber doch nicht gegen das System an sich, die staatliche Ordnung! "Es geht jetzt um alles oder nichts", glaubt einer. "Wenn sich das hält bis zur Landtagswahl, fliegen wir raus. Dann war's das."

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