Süddeutsche Zeitung

Abgeordnetenaffäre:Schneller Schlussstrich

Lesezeit: 2 min

Von Frank Müller, München

"Die Preisspanne für die Kameras reichte von 84 bis knapp 6000 Euro": So lautete ein Schlüsselsatz in dem Bericht, mit dem der bayerische Rechnungshof die Abgeordnetenaffäre im Landtag auseinanderklamüserte. 6000 Euro Staatszuschuss für eine einzige edle Leica, angeschafft vom unglückseligen oberfränkischen CSU-Abgeordneten Alexander König - das war eines jener Details, die den Unterschied ausmachen zwischen bloßer Misswirtschaft und handfestem Skandal. Dass ein Abgeordneter eine einfache Digitalknipse braucht, um seine Website mit Bildern zu bestücken, leuchtet ein. Dass es eine komplizierte Leica sein muss, nicht.

Als mitten im vergangenen Landtagswahlkampf die Affäre um Privilegien der Abgeordneten hochkochte, gab es ganz viele solcher Unterschiede. Und eine sehr breite Spielwiese. Erst ging es nur um Abgeordnete, die ihre Verwandten als Mitarbeiter beschäftigten. Als Landtagspräsidentin Barbara Stamm die Selbstverteidigung gründlich misslang, war plötzlich alles auf dem Tapet: Staatszuschüsse für Technik, die Zahlungen für Abgeordnetenbüros, verbotene finanzielle Verquickung von Partei- und Fraktionsarbeit und vieles mehr.

Bevor die Skandalwelle noch weiterschwappen konnte, um etwa die großzügige Altersversorgung für Abgeordnete zu unterspülen, machten alle Fraktionen gemeinsam Schluss: Sie drehten den Spieß um und verabschiedeten die in Teilbereichen schärfsten Richtlinien der deutschen Politik. Hauptsache: Schluss der Debatte.

Eine spannende, aber nicht mehr zu beantwortende Frage ist: Was wurde damit alles unter den Teppich gekehrt? Alleine bei der technischen Ausstattung überprüfte der Rechnungshof nur die Ausgaben über 6000 Euro vollständig. Von den darunter liegenden Ausgaben nahm er sich nur eine Stichprobe von 15 Prozent vor. Dass sich unter den verbleibenden 85 manch weiteres schöne technische Gerät finden lassen würde, darauf kann man wetten.

Ein Transparenzbericht? Steht bis heute aus

Am Rechnungshof lag es nicht, dass nur zögerlich aufgeklärt wurde. Manche seiner Forderungen, etwa nach einem jährlichen Transparenzbericht im Landtag, sind bis heute offen. Die Landtags-Spitze störte sich zudem an dessen Forderung, der Landtag solle sich von den Abgeordneten die Gelder für beschäftigte Ehegatten und Kinder zurückzahlen lassen. Das hätte 79 Parlamentarier in Turbulenzen gestürzt. Sie beschäftigten auch nach dem Jahr 2000 noch Ehefrauen und Kinder und nutzten damit eine umstrittene Altfallregelung.

Die meisten dieser Fälle kamen aus der CSU, aber es gab sie auch bei allen anderen Fraktionen mit Ausnahme der damals noch im Landtag sitzenden FDP. Aber nur wenige gerieten dadurch in ernste Probleme. Ex-CSU-Fraktionschef Georg Schmid ist der bei weitem gravierendste Fall. Der bislang einzige vor Gericht wegen Betrugs verurteilte Abgeordnete ist jedoch der vormalige Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Harald Güller, der bis heute im Landtag sitzt. Er hatte mit der Beschäftigung seines Stiefsohns gegen das Verbot verstoßen, Angehörige ersten Grades anzustellen. Ein ähnliches Verfahren gegen die als Schlagersängerin bekannte frühere Freie-Wähler-Abgeordnete Claudia Jung wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Wie sich Schmids Fall unterscheidet

Zu Schmids Konflikt mit dem Sozialversicherungsrecht gibt es in der Verwandtenaffäre ansonsten keine Parallele - die Abgeordneten stellten ihre Verwandten üblicherweise direkt an und kamen so gar nicht erst in Versuchung, die Sozialversicherungen zu beschummeln. Dafür musste sich der frühere Chef des Haushaltsausschusses unangenehme Fragen wegen des Jugendschutzes stellen, weil er seine minderjährigen Kinder beschäftigt hatte.

Tradition hat Schmids Versuch, sich durch freiwillige Rückzahlungen moralisch freizukaufen. Genau dies verlangte Regierungschef Horst Seehofer auch von den sechs in die Affäre verstrickten Kabinettsmitgliedern, den Ministern Ludwig Spaenle, Beate Merk und Helmut Brunner sowie den Staatssekretären Franz Pschierer, Bernd Sibler und Gerhard Eck. Sie zahlten mehr als 150 000 Euro zurück. Und blieben im Amt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2373991
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.03.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.