Süddeutsche Zeitung

Fahrlehrer über Marco Reus:"Reus muss wahrscheinlich zur MPU"

Lesezeit: 3 min

Von Thomas Harloff

Jahrelang fuhr BVB-Profi und Fußball-Nationalspieler Marco Reus Auto. Nicht gerade unauffällig war er mal in einem Aston Martin, mal in einem aufgemotzten Range Rover unterwegs. Das Problem: Er besaß keinen gültigen Führerschein. Obwohl er mehrfach geblitzt wurde, fiel das nie auf. Erst eine Polizeikontrolle im März 2014 deckte Reus´ Schwarzfahrerei auf. Das Resultat: 90 zu einer Gesamtstrafe von 540 000 Euro summierte Tagessätze und viel Häme in der Öffentlichkeit.

Doch wie konnte Reus so lange unentdeckt bleiben? Ist es für einen Prominenten wirklich so schwer, in einer Fahrschule den Führerschein zu machen, wie BVB-Boss Watzke meint? Und hat der Fußballer angesichts dieser Vorgeschichte überhaupt noch Chancen auf eine Fahrerlaubnis? Die Antworten liefert Fahrlehrer Michael Piontek, der auf Mallorca eine Fahrschule betreibt und schon mehreren VIPs das Fahren beigebracht hat - darunter Daniela Katzenberger und auch einige Fußballprofis.

SZ.de: Herr Piontek, ist es für bekannte Persönlichkeiten wie Marco Reus wirklich unmöglich, eine Fahrschule zu besuchen?

Michael Piontek: Das ist überhaupt kein Problem. Es gibt Fahrlehrer, die Ferienfahrschulen für Prominente anbieten. Innerhalb von zwei Wochen zum Führerschein - diese Zeit können Fußballer zum Beispiel in der Sommerpause aufbringen. Das kostet höchstens 3000 Euro. Wenn die Fahrschule dabei einen gewissen Werbeeffekt hat, geht es sogar deutlich günstiger. Viele hätten Marco Reus sicher mit Kusshand genommen. In meiner Zeit in Bonn habe ich selbst Fußballer ausgebildet, die damals beim 1. FC Köln spielten. Das hat wunderbar funktioniert.

Das Leben eines Fußballprofis ist mit vielen Reisen verbunden. Aber selbst im Alltag bleibt doch sicher Zeit für Fahrstunden, selbst wenn zweimal täglich trainiert wird?

Hundertprozentig. Die Fußballer, die ich ausgebildet habe, sind zwischen den Trainings oder danach bei mir gewesen. Der Verein hat ihnen auch Autos mit Chauffeuren gestellt, damit sie schnell und bequem zur Fahrschule kamen. Junge Fußballer werden hofiert und ihre Vereine kümmern sich intensiv um sie. Das ist nicht das Problem. Hier lag es sicher an ihm persönlich. Seine Einstellung dazu fehlt.

Wie meinen Sie das?

Die Psyche spielt hier eine große Rolle. Er fühlte sich sicher und hat am Ende wahrscheinlich selbst geglaubt, dass er einen Führerschein hat. Sonst hätte er sich nicht wie selbstverständlich im Straßenverkehr bewegt. Er hat sich keinen Kopf gemacht und hatte auch nicht das Verantwortungsgefühl, um zu erkennen, dass er da eine Straftat begeht. Die meisten Schwarzfahrer, die bei mir waren, hatten keine kriminelle Hemmschwelle. Die dachten: "Wofür brauche ich einen Führerschein? Ich kann doch Auto fahren!" So ähnlich könnte es bei Herrn Reus auch gewesen sein.

Nach offiziellen Angaben ist Reus zwischen 2011 und 2014 sechsmal geblitzt worden. Wenn er seinen Fehler eingesehen hätte, bevor er im März 2014 in die für ihn verhängnisvolle Polizeikontrolle geriet, wäre er um eine Strafe herumgekommen?

Das hätte man schnell legalisieren können. Er beging ja immer nur Ordnungswidrigkeiten, die er brav bezahlte, und wurde nie angehalten, nachdem er geblitzt wurde. Sein Punktekonto in Flensburg geriet auch nicht in den kritischen Bereich. Er hätte beim Straßenverkehrsamt ganz normal einen Führerscheinantrag stellen und dann wie jeder andere den Führerschein machen können, ohne dass das jemandem aufgefallen wäre.

Und wie geht es jetzt für ihn weiter? Kann er ganz normal einen Führerschein erwerben?

Bislang ist nicht bekannt, ob gegen Reus die sogenannte isolierte Sperre verhängt wurde. Normalerweise kann man nach so einer Strafe einige Monate lang gar keine Fahrerlaubnis bekommen. Aber in Dortmund ist man diesbezüglich sicher liberaler als zum Beispiel in Bayern, wo dies meist sehr streng gehandhabt wird.

Und danach?

Dann kann er ganz normal einen Antrag stellen und innerhalb von etwa zwei Monaten seinen Führerschein machen. Das Straßenverkehrsamt wird zuvor aber erst einmal wissen wollen, ob er psychologisch überhaupt geeignet ist, ein Fahrzeug zu führen. Deshalb muss er wahrscheinlich zur medizinisch-psychologischen Untersuchung, besser bekannt als MPU oder Idiotentest. Die ist in einem solchen Fall übrigens schwerer zu bestehen, als wenn es sich um ein Drogen- oder Alkoholvergehen handelt. Da kann man einfach nachweisen, dass man nichts mehr nimmt, wenn man sich regelmäßig von einem Arzt untersuchen lässt. Reus muss aber auf jeden Fall eine Therapie beim Verkehrspsychologen machen, die etwa zwölf bis 15 Sitzungen umfasst. Wenn er sie nicht macht, braucht er gar nicht zur MPU gehen, denn da würde er durchfallen.

Aber sobald er sie bestanden hat, kann er seinen Führerschein machen?

Genau. Aber das geht dann keinesfalls im Schnellverfahren. Er muss mindestens die vorgeschriebenen Pflichtstunden - drei Fahrten bei Dunkelheit, vier auf der Autobahn und fünf Überlandfahrten - absolvieren und natürlich sowohl die Theorie- als auch die praktische Prüfung bestehen.

Was sagen Sie zu Reus´ Fuhrpark mit einem Aston Martin und einem aufgemotzten Range Rover?

Das verstehe ich in seiner Situation überhaupt nicht. Wenn ich ein schnelles oder großes Auto fahre, muss ich erst recht einen Führerschein haben. Denn damit falle ich ja mit Sicherheit auf - und die Polizei schaut vielleicht noch ein wenig genauer hin.

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