Schiffsdiesel:Smoke on the Water
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Im Vergleich zu vielen Schiffsmotoren sind die manipulierten Pkw geradezu vorbildlich sauber. Auf Flüssen sind Filter unüblich, auf hoher See wird Schweröl verbrannt.
Von Marlene Weiß
Wer sich bei Kalkar an den Rhein stellt, nicht weit von der niederländischen Grenze, der muss schon sehr laut die Loreley aufsagen, um noch etwas Rhein-Romantik aufkommen zu lassen. Man sieht dort vor allem eine Wasserstraße, begradigt und intensiv genutzt. Schiffe fahren flussaufwärts und flussabwärts, 170 Millionen Tonnen Güter im Jahr werden hier transportiert. Und das macht Dreck - im Vergleich zu den Dieselmotoren vieler Wasserfahrzeuge sind die manipulierten Pkw-Motoren im Straßenverkehr Luftreinhaltungsmaschinen.
Um herauszufinden, wie viel genau dort so herausgeblasen wird, haben Ralf Kurtenbach und seine Kollegen von der Universität Wuppertal vor einigen Jahren bei Kalkar ihre Messgeräte aufgestellt. Kam ein Schiff vorbei, registrierten sie den Anstieg des CO₂-, Stickoxid- und Feinstaubgehalts der Luft. Das Ergebnis veröffentlichten sie 2016 im Fachmagazin Atmospheric Chemistry and Physics: Kaum eines der untersuchten Schiffe hielt den Grenzwert für den Stickoxidausstoß ein, der in einem Papier mit dem schönen Namen Rheinschiffsuntersuchungsordnung festgelegt ist. Im Durchschnitt lagen alle Schiffstypen deutlich darüber, egal ob Tanker- oder Güterschiff, flussauf- oder flussabwärts, beladen oder unbeladen. Beim Feinstaub blieben die Werte gerade mal so im Rahmen.
Mitten durch Umweltzonen fahren Schiffe, deren Abgaswerte uralten LKWs entsprechen
Das muss nicht bedeuten, dass auch bei der Zulassung von Binnenschiffen schamlos getrickst wird - wobei auch hier nicht klar ist, wie viel der Prüfzyklus mit der Realität zu tun hat. Vor allem aber gelten die Vorschriften nur für Neuzulassungen. "Der Austausch der Flotte ist sehr langsam, viele Motoren sind 20, 30 Jahre alt", sagt Kurtenbach. Heute wäre eine Nachrüstung oft machbar. Binnenschiffe fahren mit stärkeren, aber ähnlichen Dieselmotoren wie Lkw. Seit 2011 darf der Treibstoff kaum noch Schwefel enthalten, sodass die Schiffe im Grunde mit Straßendiesel unterwegs sind. Mit Katalysatoren und Partikelfiltern ließen sich die Abgase prinzipiell reinigen. "Aber die Nachrüstung ist teuer, und der Kostendruck von der Industrie ist hoch", sagt Kurtenbach. Viele kleine Schifffahrtsunternehmen verdienen heute schon fast nichts, sie haben keinen Spielraum für große Investitionen.
Hinzu kommt, dass viele alte Motoren nicht auf Abgasreinigung ausgelegt sind - Ingenieure sprechen vom "niedrigen Abgasgegendruck". Das bedeutet, dass die Abgasreinigungsanlage sehr groß sein muss, schon damit das Abgas gut hindurchströmt. "So etwas hat nicht auf allen Schiffen Platz", sagt Benjamin Friedhoff vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg. Wenn die Anlage nicht im Maschinenraum unterkommt, muss sie an Deck stehen, dann passt das Schiff womöglich nicht mehr unter den flachen Kanalbrücken durch. Auch die Art, wie der Motor arbeitet, kann ein Problem sein: Viele Schiffsmotoren fahren flussabwärts nur mit einem Bruchteil ihrer Leistung, dann ist das Abgas gar nicht warm genug, um einfach und gründlich gereinigt zu werden. "Es gibt nicht die eine Lösung für alle", sagt Friedhoff.
Von 2019 an verschärft eine EU-Verordnung die Grenzwerte erheblich. Aber viel bringen wird das vorerst nicht: "Die neuen Abgasnormen sind sehr streng und fortschrittlich, aber sie erfassen eben nur die 20 bis 30 Motoren im Jahr, die in der deutschen Binnenschifffahrt neu zugelassen werden", sagt Friedhoff. "An den Gesamtemissionen ändert das wenig." Das Ergebnis ist, dass vor allem Touristenschiffe nachgerüstet werden, weil sich die Passagiere sonst über den Gestank beschweren würden; die anderen fahren weiter wie gehabt, mitten durch Umweltzonen, in die längst kein uralter Lkw mit solchen Abgaswerten mehr hineinkäme. "Das ist ein Unding", sagt Dietmar Oeliger, Verkehrsexperte vom Naturschutzbund Nabu. "Katalysator und Filter sollten für Binnenschiffe Standard sein, das ist Stand der Technik."
Zwar bleiben Binnenschiffe im Vergleich zu Lkw ein effizientes und daher umweltfreundliches Transportmittel. Pro Kilometer und Tonne Fracht stößt ein Binnenschiff nach einer Berechnung des Umweltbundesamtes nur 33 Gramm CO₂ aus, damit kommt ein Kleinwagen kaum 300 Meter weit, unbeladen. Es ist ähnlich wenig wie beim Transport mit der Bahn, Lkw produzieren rund dreimal mehr CO₂. Aber die Luftverschmutzung durch Schiffe kann in ungünstigen Lagen erheblich sein, vor allem am Rhein, Deutschlands mit Abstand am stärksten befahrener Wasserstraße.
Wer gerade nicht im Kopf hat, wo der Rhein fließt, kann es jederzeit im Emissionskataster des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen nachschauen. Fragt man dort die Emissionen aus der Schifffahrt ab, leuchtet eine Kette von Gemeinden in gelb, orange oder rot, das steht für schlechte Werte - dort kommt der Rhein vorbei. Rund ein Siebtel der Feinstaubemissionen in Düsseldorf stammt demnach aus Schiffs-Abgasen, bei Stickoxiden ist es mehr als ein Viertel. In Köln kommt etwa jede 13. Feinstaubtonne und jede fünfte Stickoxid-Tonne vom Rhein. Der Fluss mag in den vergangenen Jahrzehnten viel sauberer geworden sein. Von den Schiffen kann man das nicht unbedingt behaupten.
Trotzdem sind Binnenschiffe immer noch recht harmlos im Vergleich zu dem, was auf hoher See unterwegs ist. Die meisten Containerschiffe auf den Ozeanen fahren immer noch mit Schweröl, ein billiger Reststoff aus der Raffinerie-Produktion, der bis zu 3,5 Prozent Schwefel enthalten darf. Das ist das 3500-Fache des Grenzwerts für Tankstellen-Diesel. Zwar gibt es Emissions-Kontrollgebiete, eine Art Umweltzonen im Meer, wo nur 0,1 Prozent Schwefel erlaubt sind. Dazu gehören Nord- und Ostsee sowie die nordamerikanische Küste. Dort müssen Schiffe, die sonst mit Schweröl fahren, auf Marinediesel umstellen. Aber auch die 0,1 Prozent Schwefel im Sprit sind noch hundertmal so viel, wie im Straßenverkehr oder in der Binnenschifffahrt toleriert wird. Und es sind eben nur einzelne Gebiete; das Mittelmeer beispielsweise ist bislang nicht dabei.
Hochseeschiffe könnten auf Flüssigerdgas umsteigen. Doch perfekt ist auch das nicht
Schweröl im Tank führt nicht nur dazu, dass Schwefeloxide frei werden. Sondern es macht auch die Abgasreinigung kompliziert; an einem so schmutzigen Treibstoff wie Schweröl scheitert jeder Partikelfilter. Um Schiffe sauberer zu machen, müsste man also zunächst mal etwa auf den deutlich teureren Marinediesel umsteigen. Aber auch dann bleibt das Problem des Abgasgegendrucks; unkompliziert ist die Nachrüstung selten. Eine Alternative könnte Flüssigerdgas sein, mit dem schon manche Schiffe unterwegs sind. Das ist viel sauberer als andere Treibstoffe. Allerdings könnten die entsprechenden Motoren noch besser werden, oft entweicht bei der Verbrennung zu viel Methan, was wieder der Klimabilanz schadet.
In jedem Fall ist die Sache teuer. Zwar ist der Gütertransport per Schiff insgesamt so billig, dass die zusätzlichen Kosten kaum ins Gewicht fallen würden; die paar Cent wären bei einem Kilo Äpfel aus Neuseeland noch verkraftbar, bei einem Handy aus Asien sowieso. Aber momentan gibt es niemanden, der dafür bezahlen will; Reeder, die umrüsten, bleiben auf ihren Kosten sitzen. Den Schaden tragen vor allem Küsten und Hafenstädte. Mehr als 5000 Tonnen Stickoxide emittierten laut dem Hamburger Luftreinhalteplan die Containerschiffe im Hamburger Hafen im Jahr 2013, das ist ähnlich viel wie im gesamten Straßenverkehr der Stadt frei wird.
Ändern könnte das die UN-Behörde IMO, die den Schiffsverkehr in internationalen Gewässern regelt. "Die IMO müsste Schweröl als Treibstoff verbieten, auch Abgasreinigung sollte vorgeschrieben sein", sagt Dietmar Oeliger vom Nabu. Tatsächlich wird sich die Lage im Jahr 2020 etwas verbessern, dann erlaubt die IMO nur noch 0,5 Prozent Schwefel im Treibstoff. Um auf diesen Wert zu kommen, muss das Schweröl zumindest mit besserem Treibstoff gemischt werden, ein gewisser Fortschritt. Von einer Pflicht zur Abgasreinigung ist in der Vorschrift allerdings keine Rede.