Süddeutsche Zeitung

UN-Klimakonferenz in Durban:Deutschland sagt Millionen für Klimaschutz zu

Lesezeit: 4 min

Die Bundesrepublik bewirbt sich um den Sitz eines milliardenschweren Klimaschutzfonds. Zugleich verspricht Umweltminister Röttgen den Entwicklungsländern weitere 40 Millionen Euro Hilfe im Kampf gegen die Folgen der Erderwärmung.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) möchte den Sitz des sogenannten Grünen Klimafonds nach Deutschland holen. Das sagte Röttgen am Mittwoch vor dem Plenum des Klimagipfels in Durban. Der Klimafonds soll ab 2013 aufgebaut werden und dazu beitragen, dass die Entwicklungsländer ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar (74 Milliarden Euro) zur Anpassung an den Klimawandel und für den Klimaschutz erhalten. Röttgen verwies darauf, dass Deutschland bereits 1,25 Milliarden Euro im Jahr 2010 und rund 1,8 Milliarden Euro 2011 für internationale Klimaprojekte ausgegeben habe. Damit seien rund 100 Länder unterstützt worden. Röttgen sagte auch weitere finanzielle Unterstützung zu, beispielsweise 40 Millionen Euro für erste Maßnahmen in Entwicklungsländern.

Unterdessen warnen Forscher, dass die ohnehin fraglichen Ziele des Klimagipfels wohl nicht ausreichen, um drastische Klimaveränderungen zu verhindern. Auf der Konferenz in Durban diskutieren derzeit die Umweltminister der Länder darüber, wie sich die Erderwärmung auf zwei Grad beschränken lässt - ausgehend von dem Niveau vor der Industrialisierung. Denn jenseits einer solchen Temperaturerhöhung muss die Menschheit mit kaum mehr beherrschbaren Folgen für die Natur und die Menschheit rechnen.

Nachdem Klimaexperten bereits gewarnt haben, dass schon die diskutierten Einschränkungen eher zu einer Erwärmung um 3,5 Grad führen, setzt ein US Wissenschaftler der US-Raumfahrtbehörde Nasa nun noch eins drauf: "Selbst wenn wir in der Lage wären, die Erderwärmung auf zwei Grad über der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, könnte die Erde innerhalb dieses Jahrhunderts drastische und schnelle Klimaveränderungen erleben", warnt Jim Hansen, Direktor des Goddard Institute for Space Studies in New York.

Gemeinsam mit Ken Caldeira von der kalifornischen Stanford University und Eelco Rohling von der britischen Southampton University hat Hansen sich die Klimageschichte der Erde angeschaut. Immer wieder haben sich in den vergangenen Millionen Jahren Eis- und Warmzeiten abgewechselt. Daten über diese Veränderungen zeigen, wie Treibhausgase sich auswirken, so erklärte Hansen jetzt auf dem Jahrestreffen der American Geophysical Union in San Francisco. Demnach sei das Klima stärker von den Emissionen abhängig als bislang vermutet.

"Wir sind weniger als einen Grad Celsius entfernt von einer Zeit, als der Meeresspiegel etliche Meter höher lag als heute", warnt Hansen. Die paläoklimatischen Daten deuten darauf hin, dass das Ziel, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken, nicht ausreichen wird, um dramatische Klimaveränderungen zu verhindern.

Vielmehr sei dieses Ziel "ein Rezept für langfristige Katastrophen", erklärte Hansen dem Online-Magazin LiveScience. Schließlich gebe es bereits erste Zeichen von Veränderungen, die die Klimasituation verschärfen werden. So gebe es Hinweise darauf, dass die Eisdecken schmelzen.

Eine Erwärmung um zwei Grad werde zu einer eisfreien Arktis und einem Anstieg des Meeresspiegels um Dutzende Meter führen, so Hansen. "Wir können nicht sagen, wie lange es dauern wird", erklärte er dem Magazin. Aber die Erde werde dann " eindeutig ein anderer Planet" sein.

Die Warnung der Klimaforscher belegt, wie wichtig es für die Teilnehmer am Klimagipfel in Durban wäre, auf den Appell des UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu hören: "Wir können ohne Übertreibung sagen: Die Zukunft des Planeten steht auf dem Spiel. Sie müssen uns vor dem Abgrund bewahren", sagte er. Sollte die Erderwärmung "außer Kontrolle" geraten, sei "das Leben der Menschen, die Gesundheit der Weltwirtschaft und das nackte Überleben einiger Nationen" in Gefahr.

Er nannte vier Punkte, auf die sich die Staatengemeinschaft in Durban verständigen müsse, darunter eine zweite Laufzeit des Kyoto-Protokolls, dessen erste Phase Ende nächsten Jahres ausläuft. Auch forderte er einen Rahmen für ein neues verbindliches Klimaschutzabkommen für alle Staaten sowie Fortschritte bei der Finanzierung des Klimawandels sowie die Umsetzung der Beschlüsse der letzten Klimakonferenz im mexikanischen Cancún. "Wir müssen den Schwung erhalten", betonte er.

Zugleich sah Ban sich gezwungen, die Hoffnungen auf einen Durchbruch auf der Konferenz zu dämpfen. "Wir müssen realistisch sein, was diese Erwartungen angeht", erklärte er und verwies dabei vor allem auf die anhaltende Wirtschaftskrise und auf verschiedene Ansätze der Länder, mit der Erderwärmung umzugehen. Obwohl die Welt angesichts des bedrohlichen Klimawandels keineswegs Zeit habe, "liegt ein international verbindliches Abkommen wohl derzeit außerhalb der Möglichkeiten".

Für eine Fortsetzung der bindenden Klimaziele sprachen sich zwar auch die vier aufstrebenden Schwellenländer Brasilien, Südafrika, Indien und China aus. Eine Einigung darüber sei "ein Muss", sagte Chinas Verhandlungsführer Xie Zhenhua. Indiens Umweltministerin Jayanthi Natarajan sagte, eine "klare und ratifizierbare Entscheidung über das Kyoto-Protokoll" sei das wichtigste Ziel in Durban. Die Bedingungen, die die Schwellenländer wie China einerseits und etwa die US-Amerikaner andererseits für eine Einigung stellen, stehen sich derzeit jedoch unvereinbar gegenüber.

So beharren die Chinesen auf dem Standpunkt, dass hier in erster Linie die Industrienationen in der Verantwortung stehen. Die Amerikaner dagegen verweigern jegliche feste Zusage, Emissionen zu reduzieren, solange nicht alle bedingungslos mitmachen.

Dazwischen liegt die Position der EU. Hier wünscht man sich zwar einen Kyoto-Nachfolger, und möchte an dem Ziel festhalten, den Ausstoß um 20 Prozent unter jenen des Jahres 1990 zu senken. Damit würden aber nur 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verhindert - nicht genug, um das Klimaziel zu erreichen. Und weitermachen will man auch nur, wenn alle bisher Beteiligten dabei sind. Japan, Russland und Kanada aber weigern sich, solange die USA nicht mitmachen.

Ein internationales Abkommen zum Klimawandel, so erklärte deshalb der Chef des UN-Umweltprogramms ( Unep), Achim Steiner, werde nicht ausreichen, um die globale Erwärmung abzuwenden. Er forderte die Regierungen zu freiwilligen, weitreichenden Reduzierungen des Treibhausgasausstoßes auf. Zusätzlich notwendig seien Investitionen in saubere Energien und weitere Klimaschutzmaßnahmen. "Wir sind nicht schnell genug", erklärte der Unep-Exekutivdirektor. "Wir verlieren Zeit."

Einen ganz anderen Ansatz vertreten einige Wissenschaftler in Deutschland: den Budget-Ansatz . "Wenn wir einen gefährlichen Klimawandel vermeiden wollen, können wir nur noch eine begrenzte Menge von CO2 emittieren", erklärte kürzlich Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Und diese Menge muss festgelegt und gerecht verteilt werden.

Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung hatte bereits 2009 festgestellt, dass sich über die Bevölkerungszahlen jeweils nationale Budgets bestimmen ließen, mit denen die Staaten wirtschaften und untereinander handeln könnten. Immer wieder haben in der Vergangenheit Wissenschaftler und auch Politiker auf diesen Ansatz hingewiesen. In Durban aber wird er nicht diskutiert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1228665
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dapd/dpa/AFP/mcs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.