Süddeutsche Zeitung

Nobelpreisträgerin Strickland:"Ich fühle mich geehrt, eine von diesen Frauen zu sein"

Lesezeit: 2 min

Von Hanno Charisius und Berit Uhlmann

Zum Zeitpunkt, als die Welt auf Donna Strickland schaute, hatte sie noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag. Die Kanadierin erhielt an diesem Dienstag als dritte Frau den Physik-Nobelpreis. 55 Jahre sind vergangen, seit mit der Deutsch-Amerikanerin Maria Goeppert-Mayer eine Physikerin die berühmte Auszeichnung erhalten hatte. Zuvor war die Trophäe 1903 an Marie Curie vergeben worden, die den Nobelpreis acht Jahre später auch noch in Chemie bekam.

Das sind große Fußstapfen und so lautete Stricklands Kommentar auf die Nachricht von der Ehrung dann auch: "Mein erster Gedanke war: Das ist verrückt, kann das wirklich wahr sein?" Ihr alter Mentor, der mit ihr gemeinsam geehrte Gérard Mourou, verdiene diesen Preis definitiv, er habe bereits vor der Zusammenarbeit mit ihr so viele bemerkenswerte Dinge geleistet, sagte sie am Telefon während der Pressekonferenz der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm.

Die beiden Forscher erhalten einen Teil des Preises, die zweite Hälfte wurde an den US-Amerikaner Arthur Ashkin vergeben. Strickland und Mourou entwickelten gemeinsam Verfahren, mit dem sich ultrakurze Laserblitze erzeugen lassen. Sie werden heute millionenfach pro Jahr verwendet - etwa wenn Augenärzte die Fehlsichtigkeit eines Patienten per Lasereingriff korrigieren.

Darüber hinaus ist wenig über die Physikerin bekannt. Strickland wurde 1959 im kanadischen Guelph geboren, sie promovierte in den USA an der University of Rochester im Fach Physik-Ingenieurwissenschaften. Heute arbeitet sie an der University of Waterloo in Ontario. Auf der dortigen Homepage steht kurz und trocken, dass ihre "Ultrafast-Laser-Gruppe Hochenergie-Laser-Systeme für nicht lineare optische Experimente entwickelt". Der ultraschnell entstandene Wikipedia-Artikel geht darüber kaum hinaus.

Die Vergabe an eine Frau wurde in den sozialen Netzwerken sofort bejubelt. Binnen Minuten gab es den Hashtag #Strickland. Der Männer-Überhang unter den Nobelpreisträgern war in jüngster Zeit heftig kritisiert worden. Das Komitee hatte zudem in der Vergangenheit mehrfach Frauen übergangen, die wesentlich zu den wissenschaftlichen Leistungen beigetragen hatten, für die später Männer ausgezeichnet worden waren. Die österreichische Kernphysikerin Lise Meitner ist ein prominentes Beispiel. Sie half Otto Hahn wesentlich beim Nachweis der Kernspaltung, wurde jedoch bei der Verleihung des Chemie-Nobelpreises für das Jahr 1944 an Hahn nicht mit berücksichtigt.

Ein anderes Beispiel ist die britische Biochemikerin Rosalind Franklin. James Watson und Francis Crick benutzten Franklins Forschungsergebnisse, ohne sie darüber zu informieren, und veröffentlichten die Struktur des DNA-Moleküls. Die beiden Männer wurden 1962 mit dem Nobelpreis für Physiologie bzw. Medizin geehrt.

Für Strickland dürfte es nicht ganz einfach sein, nicht allein im Zusammenhang mit der Genderdebatte gesehen zu werden. Sie nahm die Ehrung selbstbewusst entgegen: "Wir müssen Physikerinnen feiern, denn sie sind da draußen. Ich fühle mich geehrt, eine von diesen Frauen zu sein."

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