Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:Der Ausbau sauberer Energien geht zu langsam voran

Lesezeit: 3 min

Von Marlene Weiß

Erneuerbare Energien haben im Jahr 2018 mehr als 26 Prozent zur globalen Stromproduktion beigetragen. Damit setzt sich das Wachstum der klimafreundlichen Energien zwar fort, doch noch immer geht der Übergang zu sauberer Energie nicht schnell genug, um mit dem Paris-Abkommen in Einklang zu sein. Den Grund dafür sieht ein am Dienstag erschienener Bericht des Erneuerbaren-Netzwerks Ren21 vor allem in falschen politischen Rahmenbedingungen und den immer noch enormen Subventionen für fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas.

An der Ren21-Initiative, die im Jahr 2004 aus einer internationalen Erneuerbaren-Konferenz hervorging, sind zahlreiche Experten beteiligt. Koordiniert wird sie von einem Komitee aus 50 Vertretern von Industrie, NGOs, Regierungen und Wissenschaft, unterstützt unter anderem vom UN-Umweltprogramm Unep. Einmal jährlich veröffentlicht das Netzwerk einen Bericht zum globalen Status erneuerbarer Energien.

In diesem Jahr ist das Fazit dieses Reports gemischt. "Es sind gute Neuigkeiten, aber es ist nicht perfekt", sagt Rana Adib, Generalsekretärin von Ren21. Auf der positiven Seite sieht sie etwa die weiter robusten Investitionen in saubere Energien: Auch wenn die investierte Summe von 326 Milliarden US-Dollar auf 289 Milliarden zurückging, wurde das vierte Jahr in Folge bei erneuerbaren Energien deutlich mehr Stromerzeugungs-Kapazität installiert als bei Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken. Die gesamte Erneuerbaren-Kapazität legte um fast ein Zehntel zu. Allein die zusätzlich installierten Solarzellen würden demnach reichen, um ein Viertel des Strombedarfs von Frankreich zu decken.

"Erneuerbare sind in der Stromerzeugung oft die billigste Option, sie sind hier, um zu bleiben", sagt Adib. Positiv bewertet sie auch, dass das Wachstum der Öko-Energien nicht mehr an einigen wenigen Ländern hängt: Obwohl in China nach jahrelangem schnellen Wachstum die staatliche Förderung angepasst wurde und deshalb die Investitionen deutlich zurückgingen, legte die Installation weltweit weiter zu. Inzwischen tragen die Öko-Energien mehr als ein Viertel zur Stromproduktion bei.

Neun Staaten decken mehr als ein Fünftel der Stromproduktion aus schwankenden Quellen

Auch die Befürchtung, dass schwankende Größen wie Wind und Sonne sich nicht ins Netz integrieren lassen, ist eindeutig entkräftet: Seit dem Jahr 2000 hat sich die Stromerzeugung aus solchen variablen Quellen verzehnfacht. Neun Staaten, darunter Deutschland, Uruguay, Portugal und Irland, decken mehr als ein Fünftel ihrer Stromerzeugung aus Wind und Sonne; in Dänemark ist es sogar mehr als die Hälfte.

Doch der Bericht enthält auch ein großes Aber: Auf den Strombereich, in dem die Erneuerbaren einigermaßen stetig - wenn auch nicht so schnell wie wünschenswert wäre - zulegen, entfallen nur rund 17 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs. Viel mehr, nämlich rund die Hälfte der verbrauchten Energie, geht für Heizen und Kühlen drauf, ob in Gebäuden oder in der Industrie. Das verbleibende Drittel entfällt auf den Transportsektor. Und in diesen beiden großen Bereichen passiert noch immer nahezu nichts.

"Das ist sehr besorgniserregend, wenn man bedenkt, wie wenig Zeit übrig ist", sagt Adib - etwa mit Blick auf das im Paris-Abkommen festgelegte Zwei-Grad-Ziel, für das die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas eigentlich binnen weniger Jahrzehnte aufhören müsste. Zwar sieht sie im Verkehrsbereich durchaus ein Umdenken, immerhin werde der nötige Umbau diskutiert. Aber ähnlich wie in Deutschland, wo trotz aller Debatten der CO₂-Ausstoß des Verkehrs seit 1990 nicht zurückgegangen ist, hat sich das bislang nicht in messbaren Erfolgen niedergeschlagen. Nur ein Dreißigstel des Energiebedarfs im Verkehr wird mit den - ohnehin umstrittenen - Bio-Treibstoffen oder mit Ökostrom gedeckt.

Beim Heizen und Kühlen wird die meiste Energie verbraucht - aber dort passiert wenig

Beim Heizen und Kühlen sieht es auf den ersten Blick besser aus, aber das täuscht: Zwar stammt knapp ein Viertel der verbrauchten Energie aus prinzipiell erneuerbaren Quellen, aber mehr als die Hälfte davon entfällt auf traditionelle Holz- oder Dungfeuer, die in Entwicklungs- und Schwellenländern zum Kochen und Heizen dienen. Längst nicht überall wächst im gleichen Maße Wald nach. Nur etwa ein Zehntel der Wärme- und Kälteerzeugung stammt aus modernen erneuerbaren Quellen wie Geothermie.

Als Grund für diese Stagnation auf niedrigem Niveau sehen die Autoren des Berichts Ungleichgewichte und Versäumnisse in der Politik. So ergriffen 135 Länder Maßnahmen zur Förderung von Solar-, Wind- oder Wasserstrom, aber nur 70 Staaten fördern Erneuerbare im Verkehr. Und mit lediglich 20 Ländern ist nur eine kleine Minderheit auf die Idee gekommen, den Einsatz von Erneuerbaren dort zu fördern, wo am meisten verbraucht wird - beim Heizen und Kühlen.

Hinzu kommt ein finanzielles Ungleichgewicht: Laut den vom Ren21-Netzwerk ausgewerteten Zahlen flossen im Jahr 2017 300 Milliarden US-Dollar in Subventionen für fossile Brennstoffe, etwa für verbilligtes Benzin. Das sind elf Prozent mehr als im Vorjahr und ungefähr doppelt so viel wie die Summe, mit der erneuerbare Stromerzeugung gefördert wird. Um gleiche Bedingungen zu schaffen, fordern die Autoren, müssen diese Subventionen beendet werden. Zudem müssten die Gelder öffentlicher ebenso wie privater Anleger schneller aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrie abgezogen werden.

Dabei sind diese Subventionen für die Autoren nur ein kleiner Teil der realen Kosten: Mindestens 5,2 Billionen US-Dollar kämen laut einer im Bericht zitierten Schätzung zusammen, wenn man auch die externen Kosten der fossilen Brennstoffe mit einrechnet - also etwa die Kosten durch Luftverschmutzung und Klimaschäden. Sie werden derzeit nicht den Verursachern, sondern der Allgemeinheit aufgebürdet.

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