Süddeutsche Zeitung

Zukunft der Karstadt-Mitarbeiter:"Wir haben Angst"

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Was will René Benko? Bisher ist der große Auftritt des neuen Karstadt-Eigners ausgeblieben. Mitarbeiter und Kommunen hoffen, dass die Sanierung der Kaufhaus-Kette diesmal klappt - aber noch sind sie misstrauisch.

Von Max Hägler, Stuttgart

Eines ist auf jeden Fall schon einmal anders nach diesem neuerlichen Eigentümerwechsel bei Karstadt: Der neue Mann, René Benko, zeigt sich nicht gut gelaunt mit Politikern und Gewerkschaftern. So wie es Nicolas Berggruen vor vier Jahren tat, nachdem ihm der Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg die entschuldete Ladenkette für einen Euro überlassen hatte. Damals glaubten die meisten Beteiligten an eine dauerhafte Sanierung der Warenhäuser, die Rudolph Karstadt 1881 in Wismar unter dem Namen "Tuch-, Manufactur- und Confectionsgeschäft Karstadt" gegründet hatte. Es ging schief.

Und nun fragen sich wieder alle, ob der neue, der vielleicht letzte Anlauf klappt, zumal der neue Eigentümer nicht in der Öffentlichkeit auftaucht und Vertraute des 37-jährigen Österreichers sagen, sie hätten ihm abgeraten von diesem belastenden Geschäft in der schwierigen Handelsbranche. Auch das Bundesarbeitsministerium macht diesmal, anders als einst mit Berggruen, keine Fotos mit dem neuen Eigentümer, sondern teilt mit, dass man die Entwicklung um das Unternehmen "ganz sensibel und aufmerksam und auch durchaus mit Besorgnis" verfolge.

"Wir wissen doch auch nicht mehr, wir haben Angst"

Wer Arbeitnehmer am Wochenende bei Karstadt fragte, bekam oft schulterzuckend zu hören: "Wir wissen doch auch nicht mehr, wir haben Angst." Man sei nur noch Spielball reicher Leute. Hellmut Patzelt, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Karstadt, erklärt im Namen der 17 000 Beschäftigten, die nächsten Wochen seien entscheidend. Das Management müsse über Zahlen und Pläne informieren. Zum Überleben brauchten die Häuser auf jeden Fall frisches Geld von Benkos Signa Holding. Seine Aufgabe wiederum sei es, sagt Patzelt, "dafür zu sorgen, dass unsere Leute nicht unter die Räder kommen".

Bei der Gewerkschaft Verdi regierte am Wochenende immerhin nicht die ganz große Panik. Die Verantwortlichen wissen, dass Karstadt unter dem früheren Eigentümer Berggruen früher oder später in die Pleite gerutscht wäre, nachdem die Warenhauskette nicht in die schwarzen Zahlen kam. Jeder ist im Moment besser als Berggruen, ist dort das Motto. Sie kennen den Neuen noch nicht und sind misstrauisch. Aber sie setzen darauf, dass zutrifft, was über Benko berichtet wird, dass er ein echter Unternehmer ist, anders als Berggruen.

Am 21. August dürfte es den ersten Austausch geben, zumindest mit dessen Signa-Managern: Dann ist Aufsichtsratssitzung bei Karstadt, die erste nach dem Eigentümerwechsel. Und die Gewerkschafter hoffen auch auf Benkos Mitgesellschafter und Berater: Alfred Gusenbauer, Sozialdemokrat und ehemals österreichischer Kanzler, werde doch keine Massenentlassungen mittragen. Und dem deutschen Unternehmensberater Roland Berger sei jetzt, in Ruhestandszeiten, wohl auch nicht an Aufruhr gelegen. Im Zweifel will Verdi sich jedenfalls öffentlichkeitswirksam an diese Herren wenden und sie an ihre gesellschaftliche Verantwortung erinnern.

Aber nicht nur die Beschäftigten hoffen, dass nun endlich ein tragfähiges Zukunftskonzept entwickelt wird. Sondern auch die Städte, in denen Karstadt Filialen hat. "Die Städte brauchen attraktive Zentren und haben ein großes Interesse daran, dass es dem Einzelhandel vor Ort gut geht", sagt Stephan Articus, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. In der Vergangenheit habe sich gezeigt: Wo Warenhäuser schließen müssen, gebe es oft auch weniger Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe und es gehe ein Stück Lebensqualität verloren.

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Quelle:
SZ vom 18.08.2014
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