Süddeutsche Zeitung

Volkswagen:Ein Montag voller Ärger

Lesezeit: 3 min

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Max Hägler, Berlin/München

Es gab schon angenehmere Tage im Arbeitsleben von Herbert Diess. Der Vorstandschef der Automarke VW, der wichtigsten Tochter des Volkswagen-Konzerns, musste an diesem Montag im Betriebsausschuss in Wolfsburg erscheinen. Genauer gesagt ist er eingeladen von Betriebsratschef Bernd Osterloh und dessen Kollegen, per quasi öffentlichem Brief, den man als Ultimatum lesen kann.

Bei VW haben die Arbeitnehmer mehr Einfluss als anderswo und so wird aus einer Einladung schnell eine Vorladung. Diess, ehemals Vorstand bei BMW, will sich diesen Machtverhältnissen aber nicht fügen. Auch darum geht es in dem Streit mit den Arbeitnehmern. Ein erstes Gespräch über die Umsetzung des "Zukunftspaktes" sei ergebnislos vertagt worden, erklärte ein Sprecher des Betriebsrats am Montag.

VW muss produktiver werden, darüber herrscht zwar Einigkeit unter allen Beteiligten. Doch über die Umsetzung gibt es Streit: Jetzt sollen etwa am Stammwerk in Niedersachsen statt 980 Leiharbeitern in diesem Jahr 1700 gehen. Entgegen des "Zukunftspaktes", den Arbeitgeber und Arbeitnehmer eigentlich vereinbart hatten und der bis zum Jahr 2020 den Abbau von 23 000 Arbeitsplätzen vorsieht, bei gleichzeitigem Aufbau einiger neuer Jobs.

Die Wut auf Diess ist groß beim mächtigen Betriebsrat

Zu schnell geht der Abbau der Leiharbeiter, die bisher meist übernommen wurden, zu langsam der Aufbau neuer Jobs, so die Klage der Arbeitnehmer. Diess hingegen möchte mit dem Saldo wohl bei der Börse punkten. Doch ob er, der Chef von 120 000 Mitarbeitern, am Ende des Quartals überhaupt noch zuständig ist für diese Zahlen, darauf möchte keiner wetten in Wolfsburg, zu groß ist die Wut beim Betriebsrat. Als sich Personalchef Karlheinz Blessing als Vermittler anbot, da erklärte der Betriebsrat: "Wir schätzen den Willen von Dr. Blessing, Brücken zu bauen. Das Problem ist: Herr Diess reißt sie mit dem Hintern schneller ein, als er sie bauen kann."

Andere Manager würden bei so viel Gegenwind den Rückzug antreten, Diess nicht, noch nicht. Am Freitag erklärte er seinerseits per Rundbrief, die Lage bei den Leiharbeitern zu bedauern. Allerdings lasse die wirtschaftliche Lage wenig Spielraum.

Alle sagen: Der Aufsichtsrat muss ein Machtwort sprechen und das heißt: Die Eigentümerfamilien Piëch und Porsche müssen sich festlegen. Es ist eine schwierige Wahl. Dauerstreit oder der Abgang eines Vorstandes in dem Konzern, der vom Dieselskandal sowieso angeschlagen ist.

Beim Dieselskandal verweigert Piëch weitere Aussagen

Die Sichtweise von VW-Patriarch und Porsche-Großaktionär Ferdinand Piëch zu diesem Betrug ist vor einigen Tagen öffentlich geworden: Er habe schon früh maßgebliche Leute aus dem VW-Aufsichtsrat von dem Dieselskandal informiert, behauptet er. Das hätte auch strafrechtliche Konsequenzen. Die Betroffenen, etwa Betriebsratschef Osterloh oder der niedersächsische Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), bestreiten das vehement.

Piëch hätte indes Gelegenheit, seine Vorwürfe vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu konkretisieren. An diesem Montag will der Ausschuss über seine Vorladung entscheiden; eine Annahme gilt als wahrscheinlich. Doch bereits am Wochenende ließ Piëch absagen. Was er wisse, habe der VW-Patriarch bereits den von VW beauftragten US-Anwälten und der Staatsanwaltschaft Braunschweig gesagt, erklärte Piëchs Rechtsbeistand Gerhard Strate. "Herr Prof. Dr. Piëch denkt nicht daran, das, was als angebliche Inhalte der Vernehmungen kolportiert wird, seinerseits öffentlich zu kommentieren", heißt es in einer Erklärung. "Aus diesem Grunde wird er auch auf das Angebot einer öffentlichen Anhörung vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages nicht eingehen." Der einstige Konzern- und Aufsichtsratschef vertraue voll "in den Aufklärungswillen der Staatsanwaltschaft".

Die Parlamentarier sind erbost. Schließlich müsse der Ausschuss jenen Vorwürfen nachgehen können, die Piëch selbst in die Welt gesetzt habe, sagte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Herbert Behrens (Linkspartei). "Das ist eine Frechheit, wenn er hier für eine Aufklärung nicht zur Verfügung steht." Er könnte Klarheit schaffen. "Wenn er aber gleich sagt, vor dem Ausschuss sage ich nicht aus", empört sich Behrens, "dann bringt er sich in eine Situation, in der er seine eigene Glaubwürdigkeit in Frage stellt."

Für ausbleibende Zeugen bei Untersuchungsausschüssen sieht das deutsche Recht Ordnungsgelder vor, selbst eine "zwangsweise Vorführung" ist möglich. Nur könnte derlei Zwang im Fall Piëch versagen: Piëch ist Österreicher. Auch Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer zeigte sich enttäuscht über die Absage. Dass niemand reinen Tisch mache, stürze VW "immer weiter in die Krise".

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SZ vom 13.02.2017
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