Süddeutsche Zeitung

Volkswagen AG:VW verheimlichte Abgas-Affäre

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Von Thomas Fromm und Klaus Ott, München

Der frühere, von Martin Winterkorn geleitete VW-Vorstand war im September 2015 über die Manipulation von Abgasmessungen in den USA informiert, hat diese Gesetzesverstöße aber den Aktionären und der Öffentlichkeit verschwiegen. Das bringt Aufsichtsratschef und Ex-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch ebenso in Bedrängnis wie Winterkorns Nachfolger als Konzernchef, den früheren Porsche-Chef Matthias Müller. Beide hatten damals dem VW-Vorstand angehört und trugen offenbar die Geheimhaltung mit.

Das ergibt sich nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR aus einer Stellungnahme von VW für das Landgericht Braunschweig, mit der Volkswagen Schadenersatzklagen von Aktionären abwehren will. Die Aktionäre wollen den massiven Kursverlust seit Beginn der Affäre ersetzt bekommen. Volkswagen weist das zurück und gibt indirekt sogar den US-Behörden eine Mitschuld am Ausmaß der Abgasaffäre, die den deutschen Autokonzern viele Milliarden Euro kosten könnte.

Es habe ein "Geheimhaltungsinteresse" des Konzerns gegeben

Erst durch die "unerwartete" Bekanntgabe des Gesetzesverstoßes durch die US-Umweltbehörde EPA am 18. September 2015 und den Hinweis der EPA auf die "theoretische Maximalstrafe" in Milliardenhöhe sei es zu den hohen Kursverlusten der VW-Aktie gekommen. Das sei eine "Überreaktion" an der Börse gewesen, schreibt eine von VW beauftragte Anwaltskanzlei in der Stellungnahme für das Gericht. Darin heißt es, der damalige Finanzvorstand Pötsch sei von einer etwaigen Geldbuße um die 100 Millionen Euro ausgegangen.

In dem Papier beschreibt Volkswagen den Verlauf der Abgasmanipulationen in den USA mit knapp 500 000 betroffenen Fahrzeugen sowie das Wissen und Verhalten des damaligen Vorstandes. Demnach waren Winterkorn und seine Kollegen kurz vor der Enthüllung der illegalen Praktiken durch die Umweltbehörde EPA über die Verstöße im Bilde gewesen. Der Vorstand hielt es aber für besser zu schweigen. Es habe damals ein "Geheimhaltungsinteresse" des Konzerns gegeben, heißt es in der Stellungnahme für das Gericht.

Der VW-Vorstand habe annehmen dürfen, mit den US-Behörden sei eine "Lösung" ohne hohe Strafen möglich. Ziel der "vorübergehenden Geheimhaltung" sei nicht die "Verschleierung" gewesen. Volkswagen habe vielmehr Zeit für die Verhandlungen mit den US-Behörden gewinnen wollen. Den Tübinger Anwalt Andreas Tilp, der viele Aktionäre vertritt und einen Musterprozess anstrebt, überzeugt das nicht. VW gebe "immer nur das zu, was sich nicht länger verbergen lässt".

Der VW-Schriftsatz für das Gericht legt nahe, dass der Vorstand sich die Chance offenhalten wollte, die Gesetzesverstöße auf Dauer geheim halten zu können. In dem Papier steht, in den USA seien bei anderen Unternehmen solche Manipulationen mit "überschaubaren Strafzahlungen" geahndet worden, "ohne dass der Regelverstoß öffentlich bekannt, geschweige denn von den US-Behörden proaktiv in die Öffentlichkeit getragen wurde". Der VW-Vorstand habe bis zuletzt den Eindruck gehabt, die US-Behörden seien ebenso wie Volkswagen "an einem konstruktiven Dialog" interessiert.

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SZ vom 07.03.2016
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