Süddeutsche Zeitung

Uniper:Warum ein Energiekonzern plötzlich elf Milliarden Euro braucht

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Strom und Gas sind gerade so teuer wie nie zuvor - für Uniper eigentlich ein gutes Geschäft. Doch plötzlich sichert sich der Energiekonzern Kredite in Milliardenhöhe, auch vom Staat. Ein Lehrstück eines ziemlich verrückten Marktes.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Wenn eine Firma auf einen Schlag viele Milliarden Euro braucht, dann wirkt das erst mal beunruhigend: Sind ihr Geschäfte weggebrochen? Fressen ihre Kosten alle Geldreserven auf? Dementsprechend interessant also, wenn der Energiekonzern Uniper am Dienstagabend per Ad-hoc-Mitteilung von einer unfassbar hohen Summe berichtet, die das Unternehmen benötigt: Das Düsseldorfer Unternehmen hat sich Kredite über fast zwölf Milliarden Euro gesichert. Doch dies liegt in dem Fall an einer hohen Nachfrage - und verrät vieles über den ziemlich verrückt gewordenen Markt für Strom und Gas in Europa.

Uniper nahm der Meldung zufolge alles an Krediten auf, was Banken auf die Schnelle zur Verfügung stellten. Das sind stolze 1,8 Milliarden Euro. Zudem hatte die Firma kurz vor Weihnachten einen Kredit-Rahmenvertrag über ganze acht Milliarden Euro mit dem finnischen Mutterkonzern Fortum geschlossen. Auch den hat Uniper nun zumindest teilweise in Anspruch genommen. Und damit nicht genug, sicherte sich das Unternehmen eine Kreditlinie von bis zu zwei Milliarden Euro bei der staatlichen Förderbank KfW. Letzteres aber rein vorsorglich, betont Uniper, bislang habe man die Milliarden noch nicht in Anspruch genommen.

Wofür, um Himmels Willen, benötigt Uniper so viel Geld? Verdient die Firma nicht gerade prächtig an teurem Strom und Gas?

Die frühere Eon-Tochter, die im Jahr 2016 an die Börse ging, betreibt zum einen Gas- und Kohlekraftwerke in Europa. Dazu gehört unter anderem der umstrittene Kohlemeiler Datteln 4 im nördlichen Ruhrgebiet. Zum anderen handelt Uniper im großen Stil mit Energieträgern, importiert beispielsweise Gas aus Russland und verkauft es weiter an Stadtwerke oder Fabriken.

Uniper verfolgt wie andere große Erzeuger die Strategie, nicht all ihre Energie sofort zu den stark schwankenden Marktpreisen zu verkaufen. Vielmehr gehen sie Termingeschäfte ein, um sich abzusichern: Beispielsweise verkaufen sie heute schon einen Teil des Stroms, den ihre Kraftwerke erst im kommenden Jahr erzeugen sollen. Dabei verlangt die Gegenseite freilich Geld als Sicherheit - für den Fall, dass Uniper die Energie doch nicht liefern kann. Läuft am Ende alles wie versprochen, bekommt der Erzeuger das Geld zurück.

Man kann sich das wie bei einer Mietkaution vorstellen: Der Mieter hinterlegt Geld für den Fall, dass er die Wohnung beschädigt. Doch wenn der Eigentümer die Immobilie in gutem Zustand wiederbekommt, zahlt er die Kaution zurück.

"Wir wollen vorsichtig bleiben", sagt die Finanzchefin von Uniper

Allerdings gibt es in vielen Energieverträgen einen großen Unterschied. Wenn Strom oder Gas allgemein viel teurer werden, dann gewinnt oft auch eine zukünftige Lieferung an Wert. In krassen Fällen müssen Erzeuger zusätzliche Sicherheiten hinterlegen, sprich: wie Uniper nun Geld nachschießen.

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, liegt an der Ausnahmesituation auf den Energiemärkten. Rohstoffe wie Erdgas sind in den vergangenen Monaten deutlich teurer geworden. Deutschland zahlte zuletzt im Schnitt mehr als dreimal so hohe Preise für Gasimporte wie im Vorjahreszeitraum, berichtet das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Hiesige Gasspeicher sind vergleichsweise schwach gefüllt. Zugleich ist die Nachfrage weltweit stark gestiegen, seitdem sich viele Industrien von der Corona-Krise erholt haben. Die Preise schwankten zuletzt stark. Und Branchenvertreter wie Eon-Chef Leonhard Birnbaum erwarten, dass Gas noch teurer werden könnte. Etwa, falls der Winter kälter als sonst werden sollte, sich der politische Konflikt in der Ukraine zuspitzen sollte oder die zusätzliche Pipeline Nord Stream 2 aus Russland nicht in Betrieb gehen sollte.

Uniper will sich mit den vielen Kreditzusagen nun vor "zukünftigen, extremen Marktentwicklungen" wappnen, wie die Firma mitteilt. "Zuletzt haben sich die Energiepreise wieder entspannt, aber wir wollen vorsichtig bleiben", sagt Finanzchefin Tiina Tuomela. Im Grunde sei die hohe Nachfrage nach Strom oder Gas ja eine gute Nachricht. "Wirtschaftlich ist Uniper ein kerngesundes Unternehmen", so Tuomela. Erst kürzlich hat Uniper die Gewinnprognose für das gerade vergangene Jahr angehoben, und dabei bleibe es auch. An der Börse hat der Konzern am Mittwoch dennoch zeitweise drei Prozent an Wert verloren. Der Geldbedarf komme nicht vollkommen unerwartet, aber das Ausmaß dürfte einige Anleger negativ überraschen, schreiben die Analysten der britischen Investmentbank Barclays.

Fest steht: Erzeuger wie Uniper können sich die vielen Milliarden nicht zum Nulltarif leihen, sie müssen Kreditzinsen zahlen oder andere Ausgaben zurückstellen. Wenn die Unternehmen nun versuchen, diesen Aufwand wieder von Stadtwerken oder anderen Firmenkunden hereinzuholen, dann könnten Strom und Gas am Ende noch ein bisschen teurer werden.

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