Süddeutsche Zeitung

Rassistische Äußerung:Tönnies muss sich vor Schalker Ehrenrat rechtfertigen

Lesezeit: 3 min

Von Elisabeth Dostert

Großfleischer Clemens Tönnies nimmt kein Blatt vor den Mund, dabei bräuchte es bisweilen einen ganzen Baum: Der Unternehmer redet gern frei und kennt dabei manchmal kein Halten.

Statt Steuern zu erhöhen, um den Klimawandel zu bremsen, empfahl er lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika zu finanzieren. Die Begründung: "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren", berichtet die Regionalzeitung Neue Westfälische. Die Entrüstung bei Twitter ist groß. Als "rassistische Tiraden" bezeichnet ein Nutzer mit dem Namen Union Watch die Äußerungen von Tönnies.

"Meine Aussage zum Kinderreichtum tun mir leid. Das war im Inhalt und Form unangebracht"

Der Fleischfabrikant hatte sich beim Tag des Handwerks in Paderborn geäußert. Die Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe hatte Tönnies als Festredner eingeladen. Das Thema seines Vortrags: Unternehmertum mit Verantwortung - Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung. Das Publikum im Saal, darunter auch Erzbischof Hans-Josef Becker, habe zunächst irritiert auf die Äußerung reagiert, schreibt die Neue Westfälische. Dann habe es aber doch Applaus gegeben.

Der Konzern dementierte die Äußerungen von Tönnies nicht und schob den Kommentaren im Netz einen eigenen Tweet hinterher: "Ich möchte meine Aussage zum Thema Auswirkungen beim Klimawandel richtigstellen. Ich stehe als Unternehmer für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Meine Aussage zum Kinderreichtum tun mir leid. Das war in Inhalt und Form unangebracht."

Auch darauf gab es schnell Reaktionen: Viele Nutzer kauften ihm die Entschuldigung nicht ab. "Ein Rassist bleibt ein Rassist", schrieb einer: "Da gibt es nichts zu beschönigen." Und ein anderer: "Ja das war unangebracht. Rassistisches Gedankengut ist eigentlich immer unangebracht." Der Nutzer forderte auch den Rücktritt von Clemens Tönnies als Aufsichtsratschef beim FC Schalke 04. Viele Fußballfans äußerten sich empört über den Tweet. Tönnies schiebe die "eigene Mitverantwortung für den Klimawandel" auf "die Afrikaner", schrieb einer. Die Fleischwirtschaft gilt als großer Emittent von Treibhausgasen. Wie "das" denn vereinbar sei mit dem Leitbild von Schalke 04. Einen Teil des Leitbildes hatte der Nutzer gleich in seinen Tweet kopiert. Er lautet: "Von uns Schalkern geht keine Diskriminierung oder Gewalt aus. Wir zeigen Rassismus die Rote Karte und setzen uns aktiv für Toleranz und Fairness ein."

Stellungnahme auch über den Twitter-Account von Schalke 04

Auch über den Twitter-Account des Klubs lässt Tönnies eine Stellungnahme verbreiten. Er stehe "1000-prozentig hinter den Vereinswerten. Dazu gehöre der Einsatz gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung." Und weiter: "Vor diesem Hintergrund möchte ich mich explizit bei euch, den Fans, Mitgliedern und Freunden des FC Schalke 04, für meine Aussage beim Tag des Handwerks entschuldigen. Sie war falsch, unüberlegt und gedankenlos und entsprach in keiner Weise unserem Leitbild. Es tut mir sehr leid."

Eine Nutzerin schrieb, sie habe ihre Mitgliedschaft wegen der Äußerung gekündigt. Dafür bekam sie bis zum Mittag fast 40 Likes.

Weltbild eines "Großwild-Jägers"

Auch Prominente äußern sich weiterhin kritisch über die Äußerungen von Tönnies. Etwa Hans Sarpei, ehemaliger Fußballer mit ghanaischen Wurzeln, der von 2010 bis 2012 für Schalke gespielt hat und immer noch Vereinsmitglied ist: "Die Aussagen von Clemens Tönnies zeigen ein Weltbild, das an die Kolonialzeit erinnert, schrieb er auf Facebook. Es sind rassistische Bemerkungen, die in keinster Weise mit dem Leitbild des FC Schalke 04 oder unserer modernen offenen Gesellschaft vereinbar sind."

Sarpei sagte auch, dass Tönnies "zunehmend eine Belastung für den FC Schalke 04" werde. Das Weltbild des Unternehmers sei "das eines Großwild-Jägers, der ausgestopfte Baby-Elefanten auf seinem Hof als Trophäen präsentiert, auf Arbeitszeitfirmen mit günstigen ausländischen Arbeitskräften setzt und Putin den Hof macht." Der Schalker Ehrenrat sollte ihn anhören und Position beziehen.

Befassen wird sich das Gremium mit Tönnies' Äußerungen auf jeden Fall. "Der Ehrenrat wird sich in diesem Fall zeitnah des Themas annehmen und in seiner nächsten, in der kommenden Woche anstehenden, Sitzung damit befassen", teilte der Verein mit. Demnach habe der Ehrenrat bereits mit Tönnies Kontakt aufgenommen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates habe unverzüglich seine Bereitschaft erklärt, sich auch in der Sitzung zu dem Vorgang zu äußern.

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