Süddeutsche Zeitung

Steuererhöhungen:Manche können mehr zahlen

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Der Staat nimmt so viel Geld ein wie fast nie. Muss er jetzt auch noch die Steuern erhöhen? Ja - aber nicht für alle Bürger. Wer in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich profitiert hat, sollte mehr zahlen.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Da steht er da, breitbeinig in Körperhaltung und Rhetorik: Keine Steuererhöhungen, verspricht Horst Seehofer, "die Bürger haben darauf mein Wort". Weil ohne höhere Steuern wohl keine Koalition mit SPD oder Grünen möglich ist, lässt sich erahnen, dass hier jemand auf einen Wortbruch zusteuert. Seehofer mag das nicht stören - schon sein Wahlkampfhit von der Pkw-Maut nur für Ausländer basierte ja auf dem Kalkül, die Deutschen seien zu doof zu kapieren, dass dies EU-rechtlich gar nicht geht.

Die interessantere Frage ist, ob der CSU-Chef inhaltlich Recht hat: Sollte es wirklich keinerlei höhere Steuern geben? Doch, sollte es. Nicht für alle Bürger. Aber für manche, die in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich profitiert haben und wirklich mehr zahlen können.

Wer sich die Entwicklung des Steueraufkommens betrachtet, könnte geneigt sein zu denken: Da muss sich doch nichts ändern. Ja, die Bundesregierung nimmt derzeit so viel Geld ein wie selten. Das spricht dafür, nicht alle Bürger über einen Kamm zu scheren, also: höher zu belasten. Sinnvoll wäre es, manche der Ungerechtigkeiten zu korrigieren, die in Deutschland die Kluft zwischen Gut- und Wenigverdienern vergrößert haben. Am besten klappt das mit einer Synthese mancher Ideen von Union, SPD und Grünen, mit einem Ausgleich der kalten Progression und höheren Tarifen für Reichere. Wie das eben zu einer Koalition passt.

Nur eine kleine Minderheit hat profitiert

Als die Banken in den Jahren vor der Finanzkrise wild spekulierten, profitierten davon jene, die die Aktien der Geldhäuser besaßen: eine kleine Minderheit. Bezahlen müssen die Krise über geringere Staatsausgaben und höhere Schulden aber alle, von der Millionärin bis zur Krankenschwester. Ähnlich ungleich sind die Früchte des Aufschwungs verteilt, den das Land erlebt: Hier maßvolle Lohnsteigerungen, da rasante Kursgewinne.

Die Allianz rechnet vor, das Vermögen der Deutschen habe 2012 um sieben Prozent zugenommen. Und zwar vor allem wegen des Börsenbooms. Im Klartext: Profitiert hat jene Minderheit, die überhaupt Aktien besitzt - während die Mehrheit Geld verliert, weil die Euro-Krise die Bankzinsen unter die Inflationsrate drückt.

Kapitalerträge wieder mit Einkommensteuersatz belasten

Nun gehört es zu einer Marktwirtschaft, risikoreichere Investments etwa in Aktien, wie sie für Unternehmen wichtig sind, auch zu belohnen. Aber es widerspricht einer Marktwirtschaft auch nicht, am Ende einen Teil der Gewinne umzuverteilen. Wie könnte das konkret aussehen? Kapitalerträge sollten wieder mit dem persönlichen Einkommensteuersatz belastet werden, das würde die Millionärin treffen, nicht aber die Krankenschwester. Bei reicheren Erben lässt sich stärker zugreifen. Und dann sind 48 Prozent Reichensteuer für Einkommen ab 250.000 Euro ebenso akzeptabel wie ein höherer Spitzensteuersatz - nicht schon so früh, wie es die Grünen wollen, aber ab 100.000 Euro Einkommen. Das sind 3,3 Mal so viel, wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmer verdient.

Solche Operationen bringen viele Milliarden ein, die sich auch zugunsten der Steuerzahler einsetzen lassen: Mit einer Verschiebung des Tarifs nach den Plänen der Union, die die Einkommensgrenzen bei der Steuer an die Inflation anpasst, weil sonst der Bürger mehr Steuern zahlt, obwohl er nach Abzug der Inflation gar nicht mehr verdient. Bei einer solchen Reform würden einige Bürger mehr zahlen, viele aber würden entlastet. Das wäre nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre nur gerecht.

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SZ vom 30.09.2013
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