Süddeutsche Zeitung

SAP:Die erste Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens

Lesezeit: 3 min

Von Stefan Mayr und Veronika Wulf

Jennifer Morgan hat schon einige Superlative abgeräumt: Das Fortune Magazine hat sie zu einer der einflussreichsten Frauen in der Wirtschaft gekürt, Forbes wählte sie in die Liste der 100 einflussreichsten Frauen der Welt sowie in die Top-20 der wichtigsten Frauen in der Technologiebranche. Jetzt folgt ein weiterer, ein ganz besonderer Superlativ: Morgan ist die erste Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns. Der deutsche Softwarekonzern SAP teilte in der Nacht zu Freitag mit, dass sie - gemeinsam in einer Doppelspitze mit Christian Klein - auf den überraschend zurückgetretenen Vorstandschef Bill McDermott folgt. Europas größtes Softwareunternehmen, zugleich das wertvollste deutsche Unternehmen, wird damit künftig von einer Frau geleitet.

"Das ist für mich eine unbeschreibliche Ehre", sagt Morgan am Telefon. Sie habe selbst erst vor 24 Stunden von ihrer Beförderung erfahren. Jetzt sitzt sie in Palo Alto in den USA, es ist 2 Uhr nachts, und führt mit Klein ein Telefon-Interview nach dem anderen mit europäischen Journalisten. Die US-Amerikanerin ist zwar schon seit mehr als 24 Stunden auf den Beinen und nach eigener Aussage "ein bisschen müde". Dennoch macht sie noch Scherze am Telefon. "Ab sofort keine Freizeit mehr", ruft sie auf die Frage nach ihren Hobbies. Es folgt ein gewinnendes Lachen, das man auch als typisch amerikanisch bezeichnen könnte. Dann erzählt sie, dass sie ein großer Fan von Yoga ist und von Peloton Bike. Das ist eine neue Sportart aus den USA, bei der man zuhause auf einem Hometrainer in die Pedale tritt und dabei online mit anderen Menschen verbunden ist.

Die 48-Jährige fing schon 2004 bei SAP an, in der Öffentlichkeit und bei den bisherigen Hauptversammlungen in Mannheim trat sie bislang aber kaum in Erscheinung. Sie saß meist schweigend auf dem Podium. Trotzdem: Ihr wird eine gewinnende, natürliche Art nachgesagt. Im Gegensatz zu ihrem exzentrischen Vorgänger, der sich gerne mal selbst zelebriert und schon eine Biografie über sich geschrieben hat, soll Morgan einen eher ruhigen Charakter haben. Als jemand zu ihr sagte, man sehe ihr nicht an, ob gerade etwas Tolles passiert sei oder etwas Schreckliches, sei das "eines der größten Komplimente, die ich je bekommen habe" gewesen, wie die Managerin mal in einem Interview erzählte.

In den 15 Jahren bei SAP hatte Morgan einige Führungspositionen inne

Doch sie könne auch anders, heißt es von Menschen, die sie bei einer SAP-Veranstaltung gesehen haben, bei der sie als Nordamerika-Chefin das Publikum hochpushte. Morgan, die sich auf Twitter als "Happy wife + mom" - glückliche Ehefrau und Mutter - bezeichnet und auch mal ein Bild von sich am Süßigkeitentisch bei einem Meeting auf Instagram teilt, arbeitete bisher meist in den USA, im SAP-Nordamerika-Headquarter in Newtown Square im Bundesstaat Pennsylvania. Das wird sich auch in Zukunft kaum ändern, sagt sie, da sie ohnehin meist unterwegs sei: "Meine Heimat ist das Flugzeug." Doch ihr Job wird ein neuer sein.

Ihr Aufstieg zur Vorstandsvorsitzenden kam ebenso plötzlich und mit sofortiger Wirkung wie ihre Beförderung im April dieses Jahres. Damals hat sie im Vorstand die Verantwortung für die wichtige Cloud-Sparte übernommen. Bevor Morgan 2017 in den Vorstand berufen wurde, hatte sie verschiedene Managementpositionen bei SAP inne. Im Vorstand war sie außerdem für die Unternehmensstrategie in Nordamerika, Lateinamerika und den Raum Asien-Pazifik-Japan zuständig - also für einen Bereich, zu dem 43 000 Mitarbeiter und etwa 230 000 Kunden gehören. Die unter McDermott geltende Devise, den Konzern stark auf Cloudsoftware auszurichten, die im Internet gemietet werden kann, trieb Morgan maßgeblich mit an.

Morgan will "mehr weibliche Führungskräfte bei SAP und auf dieser Welt"

In einem Interview mit dem Manager Magazin bezeichnete der scheidende Vorstandschef McDermott Morgan und die Vorstandskollegin Adaire Fox-Martin als "Geschäftsfrauen von Weltklasseformat", und schwärmte: "Ich denke, damit haben wir an der Spitze eine exzellente Balance zwischen großartigem Innovationsgeist und erfolgreichem Geschäftssinn."

Morgan spricht am Telefon von einem "bittersüßen Tag nach all den erfolgreichen Jahren mit Bill." McDermott sei bereit für sein nächstes Abenteuer. "Und wir sind sehr aufgeregt vor unserer gemeinsamen Reise." Was das Doppelduo anders machen wird als der Vorgänger? "Wir hatten noch keine Zeit, uns über Ideen auszutauschen", sagt Klein. Morgan bezeichnet ihn als einen "fantastischen Co-Chef." Ihren eigenen Führungsstil beschreibt sie so: "Ich starte immer mit den Menschen und nicht mit den Zahlen, die Zahlen folgen dann von alleine." Das wird sich in der kommenden Zeit zeigen. Und noch etwas kündigt die Managerin jetzt schon an: "Eines meiner Ziele wird auch sein, mehr weibliche Führungskräfte bei SAP und auf dieser Welt zu ermöglichen."

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