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Reaktionen auf Krisentreffen:"Regierung hechelt den Finanzmärkten hinterher"

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"Historischer Durchbruch" oder "Etikettenschwindel"? Politiker aus Union und FDP sowie EU-Vertreter loben die Forderungen von Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy nach einer europäischen Wirtschaftsregierung und einer einheitlichen Schuldenbremse. Die Opposition kritisiert den Krisengipfel als "viel Lärm um nichts" - und fordert weiterhin die Einführung von Euro-Bonds.

Die Vorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy sind bei deutschen Regierungspolitikern und EU-Vertretern auf Zustimmung gestoßen. Die Opposition äußerte sich hingegen kritisch.

Deutschland und Frankreich hatten sich bei dem Sondergipfel im Elysée-Palast für eine "echte Wirtschaftsregierung" in der Euro-Zone ausgesprochen. Außerdem schlugen Merkel und Sarkozy eine verbindliche Schuldenbremse in allen 17 Euro-Ländern und eine Finanztransaktionssteuer vor. Den zuletzt ins Gespräch gebrachten Euro-Bonds erteilten Merkel und Sarkozy eine klare Absage.

Brüssel zeigte sich zufrieden mit dem deutsch-französischen Plan zur Stabilisierung der Euro-Zone. Die von Merkel und Sarkozy am Dienstag erarbeiteten Vorschläge für ein besseres Krisenmanagement seien "ein willkommener Schritt voran in unseren gemeinsamen Bemühungen um eine Stärkung der Wirtschaftsregierung der Euro-Zone", heißt es in einer am Dienstagabend in Brüssel veröffentlichten gemeinsamen Erklärung von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Finanzkommissar Olli Rehn.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lobte die vorläufige Absage an gemeinsam ausgegebene Anleihen der Länder der Euro-Zone. Dies sei ein gutes Signal, sagte er am Abend in der ARD. Insgesamt begrüßte er die Ergebnisse des deutsch-französischen Gipfeltreffens. Mit Blick auf die Finanzmärkte seien die Vereinbarungen ein deutliches Zeichen der Verlässlichkeit, sagte Rösler. Die vorgeschlagenen Schuldenbremsen bezeichnete er als "wichtiges Signal".

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), lobte die Ergebnisse des deutsch-französischen Gipfeltreffens. "Die Kanzlerin hat einen historischen Durchbruch für eine stabile Zukunft Europas erreicht", sagte er der Rheinischen Post. Dieses "äußerst starke politische Ergebnis" werde die aktuelle Schuldenkrise in der Eurozone beheben sowie die politische und finanzielle Stabilität Europas stärken.

Deutliche Kritik kam hingegen aus der Opposition. "Diese Regierung hechelt den Ereignissen auf den Finanzmärkten weiterhin hinterher", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, der Rheinischen Post. "Wir brauchen wieder ein Primat der Politik."

Oppermann forderte erneut die Einführung von Euro-Bonds. Zu einem "Gesamtmix aus intelligenten Maßnahmen" gehörten "Euro-Bonds, bei denen die Gemeinschaft für einen Teil der Schulden eines Eurolandes unter strengen Auflagen einsteht", sagte er. Für den Rest müssten die Euroländer selbst geradestehen.

Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hält die Vorschläge für unzureichend. "Das ist keine Lösung der Krise. Da hat die Kanzlerin schlicht die Unwahrheit gesagt", kritisierte er im Morgenmagazin. Offensichtlich mit Blick auf eine Euro-Wirtschaftsregierung sagte Steinmeier: "Wenn wir für die Zukunft bessere Brandmelder haben, löscht das noch nicht den gegenwärtigen Brand, den wir in der europäischen Währungsunion rund um den Euro haben."

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Rebecca Harms, und der dortige finanzpolitische Fraktionssprecher Sven Giegold nannten die Vorschläge einen "Schritt nach vorne". Allerdings bleibe offen, wie die Wirtschaft der schwächeren Euroländer angekurbelt und wie das Problem der steigenden Staatsschulden gelöst werden könne. Es bedürfe zudem einer demokratischen Ausgestaltung und Legitimation der geplanten Wirtschaftsregierung.

Kritischer äußerte sich Grünen-Chefin Claudia Roth. Sie sprach von einem Etiketten-Schwindel. "Das ist viel Lärm um nichts", sagte Roth am Dienstag in der ARD. Deutschland und Frankreich sollten sich besser dafür einsetzen, dass die bestehenden europäischen Institutionen gestärkt würden.

Die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, sprach von einem Gipfel der Ratlosigkeit. Weder eine europäische Wirtschaftsregierung noch Schuldenbremsen in allen Verfassungen der Euro-Länder würden die Krise beenden.

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