Süddeutsche Zeitung

Präsentation der Jahreszahlen bei der Bahn:Das lästige P-Wort

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Der "Name Pofalla" sei im Aufsichtsrat überhaupt kein Thema, behauptet Bahn-Chef Grube. Das ist ein wenig geflunkert. Wahr ist, dass der Vorstandsvorsitzende zurzeit andere Probleme hat: Trotz Passagierrekords ist der Gewinn eingebrochen.

Von Daniela Kuhr und Harald Freiberger

Fast wäre es Rüdiger Grube bei der Bilanz-Pressekonferenz an diesem Donnerstag gelungen, den heiklen P-Namen kein einziges Mal auszusprechen. Doch dann passierte es schließlich doch. Wenn auch nur ganz kurz. Der "Name Pofalla" sei im Aufsichtsrat überhaupt kein Thema, antwortete der Bahnchef knapp auf die Frage eines Journalisten - und sein Tonfall zeigte deutlich, dass sie ihn genervt hat.

Dabei war Grube natürlich klar gewesen, dass der umstrittene Wechsel des früheren Kanzleramtsminister Ronald Pofalla zur Bahn eines der Themen sein würde, das die Journalisten am meisten interessiert. Zumal die Personalie am Vortag auch den Aufsichtsrat beschäftigt hatte, allerdings ohne - da hat Grube die Wahrheit gesagt - dass der Name Pofalla explizit gefallen wäre.

Stattdessen hatte der Bahn-Chef den Kontrolleuren abstrakt erläutert, wie er den Bereich "Politische Kontakte" künftig personell gestalten will. Demnach sollen die drei Mitarbeiter, die sich derzeit noch darum kümmern, aber bald in den Ruhestand gehen, von Januar 2015 an durch einen ersetzt werden - eben Pofalla, auch wenn Grube den Namen nicht aussprach.

Schwacher Logistikbereich und Güterverkehr

Pofalla würde dann nicht Vorstand, so wie es ursprünglich geplant war, sondern zunächst nur Generalbevollmächtigter. Damit aber ist für diese Personalie der Aufsichtsrat eigentlich gar nicht zuständig, weil dieser sich ja nur um die Vorstände kümmert. Grube informierte das Gremium dennoch, schon allein um einen Schlussstrich unter die wochenlangen Diskussionen zu ziehen. Und womöglich ist ihm das sogar gelungen. Jedenfalls gab es im Aufsichtsrat keine einzige Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt - sondern stattdessen nur eine Protokollnotiz, dass man das Konzept "zustimmend zur Kenntnis" nehme. Darüber dürfte Grube sehr erleichtert gewesen sein, schließlich hat der Bahn-Chef zur Zeit wahrlich andere Probleme.

So wurden die Ziele, die der Vorstand sich für 2013 gesetzt hatte, weit verfehlt. Statt des ursprünglich angestrebten Betriebsgewinns (vor Zinsen und Steuern, Ebit) von 2,8 Milliarden Euro erwirtschaftete der Konzern nur noch 2,2 Milliarden Euro. Unterm Strich blieb sogar nur ein Gewinn von 649 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es noch 1,46 Milliarden Euro gewesen.

Gründe für den Rückgang waren vor allem ein schwacher Logistikbereich und Güterverkehr sowie ein Verlust von Marktanteilen im Regionalverkehr. Auch beim Schienennetz sprudeln die Gewinne nicht mehr so stark wie in den Jahren zuvor. Das Netz trug nur noch 665 Millionen Euro zum Ergebnis bei, während es 2012 noch 894 Millionen Euro gewesen waren. Der einzige Bereich, der sich besser als im Vorjahr entwickelt hat, waren die ausländischen Personenverkehrsgesellschaften, die bei der Bahn unter dem Namen Arriva zusammengefasst sind. Sie trugen alles in allem 245 Millionen Euro zum Ergebnis bei. 2012 waren es noch 238 Millionen Euro gewesen.

2013 fuhren so viele Menschen Bahn wie nie zuvor

Doch Grube hatte auch ein paar gute Nachrichten. So sind im vergangenen Jahr so viele Menschen mit der Bahn gefahren wie nie zuvor. 2,016 Milliarden Fahrgäste transportierte das Unternehmen - und damit 42 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Und das, obwohl die Bahn Anfang des vergangenen Jahres erst mit einem harten Winter zu kämpfen hatte, dann wochenlang mit vom Hochwasser überspülten Gleisen und im Sommer schließlich mit dem Chaos in Mainz.

Im dortigen Stellwerk waren so viele Mitarbeiter krank oder im Urlaub, dass der Hauptbahnhof tagelang vom Fernverkehr abgekoppelt war. Die Bahn versprach, daraus zu lernen, und stellte bis zum Jahresende konzernweit 2000 zusätzliche Mitarbeiter ein. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres waren es noch mal 600. "Wir tun alles, um solche Ereignisse, wie wir sie in Mainz erleben mussten, künftig zu vermeiden", versprach Personalvorstand Ulrich Weber am Donnerstag.

Für dieses Jahr erwartet die Bahn bessere Zahlen. Der Umsatz, der 2013 rund 39 Milliarden Euro betragen hatte, soll auf 41 Milliarden Euro steigen. "Die Devise lautet: Ärmel hoch und in die Offensive gehen", kündigte Grube fast trotzig an.

"Flächen- und Bürgerbahn statt Profitwahn", skandieren Aktivisten

Draußen vor dem Eingang zum "Silberturm" in Frankfurt, wo die Bilanzpressekonferenz diesmal stattfand, entfaltet sich derweil eine ganz andere Szenerie. Aktivisten des "Bündnis Bahn für Alle" haben ein riesiges Plakat aufgehängt. "Flächen- und Bürgerbahn statt Profitwahn", steht in großen Lettern darüber. Das Bündnis, dem unter anderen die Nicht-Regierungs-Organisationen Robin Wood und Attac angehören, wirft der Bahn vor, ihr Geld lieber in Prestige-Objekte wie den unterirdischen Bahnhof Stuttgart 21 oder die Schnellstrecke Nürnberg-Erfurt zu stecken, als den Bürgern in der Fläche eine umweltfreundliche und günstige Möglichkeit der Fortbewegung zu bieten.

Im Turm erinnert Grube daran, dass die Bahnreform vor genau 20 Jahren in Frankfurt ihren Anfang genommen habe. Draußen auf dem Plakat steht: "20 Jahre Bahnreform - kein Grund zum Feiern". In dieser Zeit habe das Bahn-Management die Belegschaft im Schienenbereich mehr als halbiert, über 1000 Bahnhöfe geschlossen und 7000 Kilometer Schiene stillgelegt.

"Bahnhöfe und Schienen verrotten, weil die Deutsche Bahn ihr Geld für Einkaufszentren mit angeschlossenem Zughalt ausgibt", heißt es im "Alternativen Geschäftsbericht", den das Bündnis seit Jahren immer wieder zum Tag der Bilanz veröffentlicht. "Säckeweise verschwindet das Geld in Hochgeschwindigkeitsstrecken und glamourösen Bahnhöfen."

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SZ vom 28.03.2014
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