Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Wenn die 911 zur Glückszahl werden soll

Lesezeit: 4 min

Jetzt geht es ganz schnell: Schon in der kommenden Woche sollen die Porsche-Aktien erstmals gehandelt werden. Es ist einer der größten Börsengänge, das Interesse ist überraschend hoch.

Von Caspar Busse

Diese Zahl ist natürlich kein Zufall. In genau 911 Millionen Aktien haben die Finanzleute das Grundkapital des Sportwagenbauers Porsche aufgeteilt. 911 - das ist nicht nur auch die Telefonnummer der Porsche-Hauptverwaltung in Stuttgart-Zuffenhausen. Die Zahl steht vor allem für das bekannteste Modell der Traditionsfirma: Der 911er, ein Sportwagen mit röhrendem Motor und hinten nur zwei Notsitzen, wurde 1963 erstmals vorgestellt und wird seit 1964 in Serie gebaut. Er steht wie kein anderes Modell für die Marke Porsche. 2017 lief das einmillionste Fahrzeug vom Band. Bisher gibt es das Modell nur mit Benzinmotor, demnächst soll es eine Variante mit speziellem Hybrid-Motor geben.

911 - das ist das Synonym für den Mythos Porsche. Und dieser Mythos soll nun auch die Aktionäre begeistern. In der Nacht zum Montag - nach Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat - gab der Volkswagen-Konzern Einzelheiten zum bevorstehenden Börsengang bekannt. "Wir sind mit den Porsche-Börsenplänen jetzt auf der Zielgeraden", sagte VW-Finanzvorstand Arno Antlitz. Nun soll alles ganz schnell gehen. Die Porsche-Aktien können bereits von diesem Dienstag an bis zum 28. September gezeichnet werden. Am 29. September, Donnerstag nächster Woche also, will Porsche-Chef Oliver Blume, der in Personalunion auch VW führt, die Erstnotiz an der Frankfurter Börse feiern. Traditionsgemäß wird er dann zur Eröffnung der Börsensitzung wohl die Glocke läuten.

Die neuen Porsche-Aktien werden zu einem Preis zwischen 76,50 und 82,50 Euro angeboten. Daraus errechnet sich ein Börsenwert für den Sportwagenbauer von 70 bis 77 Milliarden Euro. Experten hatten zuvor über einen Wert von zwischen 60 und 80 Milliarden Euro spekuliert. Damit liegt Porsche gut in der Mitte der Erwartungen. Zum Vergleich: Der gesamte, deutlich größere VW-Konzern ist derzeit an der Börse knapp 90 Milliarden Euro wert. BMW kommt auf 50 Milliarden Euro, Mercedes-Benz auf etwa 60 Milliarden Euro. Die beiden verkaufen allerdings deutlich mehr Fahrzeuge als Porsche. Der E-Auto-Bauer Tesla hat einen Börsenwert von mehr als 900 Milliarden Euro.

Es wäre einer der größten Börsengänge seit der Telekom vor mehr als 25 Jahren

Geht der Plan auf und finden sich genügend Käufer, wäre Porsche einer der größten Börsengänge in Deutschland seit mehr als 25 Jahren. 1996 war die Deutsche Telekom von der Bundesregierung privatisiert worden, damals wurde viel Wirbel gemacht und eine enorme Werbekampagne mit dem populären Schauspieler Manfred Krug gestartet, besonders private Anleger hatte man damals im Visier. Plötzlich waren Aktien das große Thema, der erste Börsengang der Telekom wurde ein Erfolg (im Gegensatz zum späteren Verkauf weiterer Tranchen). Wenige Jahre später brachte dann Siemens seine Halbleitersparte unter dem Namen Infineon an die Börse, auch die Deutsche Post wurde privatisiert.

Das Börsenfieber ist aber schon lange vorbei. In diesem Jahr, wie auch in den Corona-Jahren davor, herrschte Flaute bei Aktienemissionen. Alle sind vorsichtig, die Aktienmärkte haben sich in diesem Jahr eher nach unten entwickelt. Die Unsicherheit ist groß, die Gründe dafür vielfältig: Der Ukraine-Krieg, die daraus resultierende tiefe Energiekrise, aber auch die hohe Inflation, die Kaufzurückhaltung, die Probleme bei weltweiten Lieferketten sowie Produktionsschwierigkeiten. VW hatte die ersten konkreten Pläne für den Porsche-Börsengang just an dem Februar-Tag bekannt gegeben, an dem Russland den Krieg gegen die Ukraine begann. Trotz der komplizierten Lage hielt der Konzern aber unbeirrt am Fahrplan fest. Bislang gehört Porsche zu 100 Prozent zu VW.

Für den Börsengang wurde das Porsche-Grundkapital aufgeteilt, die Hälfte der 911 Millionen Aktien sind stimmrechtslose Vorzugsaktien, die andere Hälfte Stimmrechtsaktien. Von den Vorzugsaktien sollen 25 Prozent am Kapitalmarkt verkauft werden, der Erlös daraus für VW kann 8,7 bis 9,4 Milliarden Euro betragen. 25 Prozent der Stimmrechtsaktien wiederum werden an den von den Familien Porsche und Piëch beherrschten VW-Großaktionär Porsche SE gegeben, dafür fließen 9,4 bis 10,1 Milliarden Euro. Die Porsches und Piëchs, Nachfahren des Firmengründers Ferdinand Porsche, begleichen damit auch alte Rechnungen, hatten sie doch vor mehr als zehn Jahren Porsche an VW verloren, künftig würden sie dann wieder direkten Einfluss in Stuttgart haben.

Die VW-Aktionäre sollen eine stattliche Sonderdividende erhalten

Insgesamt könnte der Porsche-Teilverkauf also 18 bis 19,5 Milliarden in die Kasse von VW spülen. 49 Prozent des Gesamterlöses - das wären neun Milliarden Euro oder mehr - sollen an die VW-Aktionäre ausgeschüttet werden. Das könnte rechnerisch eine Sonderdividende von bis zu 18 Euro je Stamm- und Vorzugsaktie sein. Beschlossen werden soll diese auf einer außerordentlichen VW-Hauptversammlung im Dezember. Der Börsengang "würde Volkswagen zusätzliche finanzielle Flexibilität verschaffen und dadurch helfen, die industrielle und technologische Transformation zu beschleunigen", erklärte VW dazu. Das Geld soll also in den Umbau zu einem E-Auto-Produzenten gesteckt werden. Volkswagen will aber 75 Prozent minus eine Aktie an der Porsche AG behalten.

Die Transaktion ist kompliziert. Künftig wird es damit drei börsennotierte Unternehmen aus dem VW-Reich geben. Da ist zunächst der VW-Konzern selbst, dann die Muttergesellschaft Porsche Holding SE, eine Familiengesellschaft der Piëchs und Porsches, die die Mehrheit der Stimmrechte an VW hält. Beide Firmen sind bereits im Dax notiert. Von Ende September an würde dann noch Porsche hinzukommen. Manche handeln den Autobauer auch schon als Kandidaten für den Dax-40. Bei Porsche würde aber auch in Zukunft VW das Sagen haben, der Gewinnabführungsvertrag würde aber auslaufen, Porsche könnte selbst bestimmen und hätte mehr Freiheit.

Doch so ganz stimmt auch das nicht - denn sowohl Porsche als auch VW werden künftig von derselben Person geführt: Oliver Blume, der erst Anfang September Herbert Diess an der VW-Spitze ablöste. An dieser Verquickung und möglichen Interessenskonflikten üben Investoren bereits Kritik. Dass der Börsengang trotzdem ein Erfolg wird, daran gibt es wenig Zweifel. So ist Porsche einer der großen Ertragsbringer im VW-Konzern. Die operative Rendite von Porsche liegt bei 15 Prozent, der Umsatz erreichte zuletzt 33 Milliarden Euro, ausgeliefert wurden 2021 rund 300 000 Fahrzeuge.

Dazu kommt, dass VW bereits einige potente Investoren für die Aktien begeistern konnte. Neben dem auch an VW beteiligten Emirat Katar will etwa der norwegische Staatsfonds Porsche-Aktien zeichnen. Allein die katarische Staatsholding QIA will dafür bis zu 1,9 Milliarden Euro ausgeben. Sicher ist: Alle wollen am Mythos Porsche mitverdienen.

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