Süddeutsche Zeitung

Opel und GM:Die gedemütigte Kanzlerin

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Der missglückte Opel-Deal ist für Angela Merkel einer der schwersten Rückschläge in ihrer Kanzlerschaft - noch nie stand sie in der Öffentlichkeit so gelackmeiert da.

Nico Fried

Der missglückte Eigentümerwechsel bei Opel ist für Angela Merkel einer der schwersten Rückschläge in ihrer Kanzlerschaft. Noch nie stand sie in der Öffentlichkeit so gelackmeiert da. Noch nie musste Merkel in so geradezu demütigender Weise ihre eigenen Worte wieder einsammeln.

Nach der ersten Entscheidung von General Motors zum Verkauf von Opel zwei Wochen vor der Bundestagswahl hatte die Kanzlerin Geduld, Zielstrebigkeit und Klarheit als Gründe für den vermeintlichen Vermittlungserfolg der Bundesregierung und ihrer Person gepriesen. Nun wirkt sie eher naiv, uninformiert und betrogen. Und es entbehrt nicht der Ironie, dass Merkel, der doch dauernd vorgeworfen wird, sie lege sich nie fest, nun zu hören bekommt, sie habe sich zu schnell auf Magna festgelegt.

Im Video: In der Hessischen Landesvertretung haben sich Politiker von Bund und Ländern getroffen, um über die Zukunft von Opel zu beraten.

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Natürlich hat sich GM gegenüber Merkel nicht nett verhalten. Man könnte fast ein wenig Mitleid haben mit der Kanzlerin, aber Mitleid verdienen allenfalls die Opel-Mitarbeiter, als politische Kategorie taugt es nicht. Merkel hat sich im Fall Opel für eine Form der staatlichen Intervention entschieden, bei der sie von den selbsternannten Gralshütern der Marktwirtschaft skeptisch beäugt, kritisiert und vom eigenen Wirtschaftsminister sogar konterkariert wurde. Aus so einem Versuch, den Staat zum wirtschaftlichen Akteur zu machen, muss ein Politiker als Sieger hervorgehen, wenn der Versuch legitimiert und als Exempel statuiert werden soll. Merkel aber hat verloren, während Barack Obama gewonnen hat.

Das nächste Mal - und die Wirtschaftlslage ist nicht so, dass man ein nächstes Mal ausschließen könnte - wird die Kanzlerin vorsichtiger sein. Dabei wäre gerade aus dem Fall Opel womöglich die gegenteilige Lektion zu lernen: Es ist nicht so, dass sich hier der Staat der Wirtschaft als unterlegen erwiesen hat - vielmehr hat sich in GM ja gerade ein Unternehmen durchgesetzt, das sich der Staat vorher in einer Weise angeeignet hatte, die in Deutschland von der FDP und dem Wirtschaftsflügel der Union sofort als Neo-Sozialismus denunziert worden wäre. Hierzulande galten schon Kredite und Bürgschaften über vier Milliarden Euro als ordnungspolitischer Sündenfall. Obamas Regierung aber ist GM-Mehrheitseigner und hat mehr als 50 Milliarden Dollar Steuergeld in die Firma gepumpt. Pragmatismus ist hier der Bruder des Kapitalismus.

Der einzig erfreuliche Aspekt an der Opel-Geschichte ist für Merkel, dass die Liberalen inzwischen bei ihr am Kabinettstisch sitzen. Das verhindert, dass der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle nächste Woche auf Merkels Regierungserklärung mit einer besonders schrillen Philippika gegen die Opel-Politik der Bundesregierung antwortet - er gehört ja jetzt dazu. So finden auch die Liberalen erzwungenermaßen endlich zu einer einheitlichen Linie. Nachdem sie bisher im Bund immer verurteilten, was sie in den Landesregierungen klammheimlich mitgetragen haben, müssen sie jetzt überall für das sein, was sie eigentlich ablehnen.

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SZ vom 06.11.2009
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