Süddeutsche Zeitung

Carlos Tavares bei Stellantis:Zuversicht statt Übermut

Lesezeit: 3 min

Opel und Citroen, Maserati und Chrysler, Peugeot und Fiat: Bis zum Jahr 2038 sollen alle Autos im Stellantis-Konzern CO₂-neutral fahren. Wie der mächtige Vorstandschef Carlos Tavares das schaffen will.

Von Max Hägler, Amsterdam

Eines muss man Carlos Tavares auf jeden Fall lassen: Selbst in größten Krisenzeiten verliert er nicht seine beinahe provokative Zuversicht. Die Corona-Seuche ist noch nicht vorüber, ein Krieg in Europa ist entflammt und natürlich fehlen auch in den Fabriken von Tavares' Konzern Stellantis gerade Bauteile, so wie jedem in der Automobilbranche. Und schließlich muss er in den kommenden Jahren noch diese gewaltige Transformation hinbekommen: Weg von den Verbrennerautos mit Handschaltung, hin zu Elektrowagen mit viel Software.

Viele Krisen, große Herausforderungen. Ist das alles zu bewältigen für dieses Unternehmen, das so groß ist, aber doch auch noch so jung. Stellantis, das ist - unter anderem - Fiat, Chrysler, Peugeot, Citroen und Maserati, Alfa Romeo, Jeep und Opel? Tavares' Antwort, so einfach ist sie, dass man sie nicht übersetzen muss: "This Company is a big cash-machine!" Lächelnd trägt er sie vor.

Tatsächlich scheinen die Zahlen recht ordentlich, soweit sie bereits bekannt sind. Sogar die früher darbende Marke Opel verdient wieder Geld: Ja, er sei zufrieden mit den Rüsselsheimern, sagt Tavares, so wie vor allem auch mit den amerikanischen Marken, die er an diesem Tag besonders in den Vordergrund schiebt.

Der größte Anteilseigener ist die italienische Agnelli-Familie

Vor einem Jahr hat Tavares diesen Konzern begründet, hinter dem als stärkster Teilhaber mit gut 14 Prozent die Agnelli-Familie steckt. Nun hat er nach Amsterdam geladen, um zu erklären, was er damit vorhat. "Dare Forward 2030" heißt der Plan - und nach vorne wagt sich Stellantis vor allem bei der Elektromobilität. Darauf deuteten schon morgens die die kleinen Elektro-Zweisitzer hin, die vor der Halle im Hafengebiet aufgebaut sind.

Auch dieser Konzern reiht sich nun ein in die Autounternehmen mit konkretem Ziel zum Verbrenner-Aus: Im Jahr 2030 sollen in Europa alle neuen Stellantis-Autos batterieelektrisch fahren, in den USA zumindest die Hälfte. Im Jahr 2038 soll dann der gesamte Konzern CO2-neutral sein und idealerweise die Mobilität insgesamt, so steht es im Konzept. Wobei das allerdings nicht nur in Händen von Stellantis und der Marken liege, fügt Tavares hinzu.

Es ist eine kleine Reminiszenz an seine Kritik, die er früher noch lauter vorgetragen hat: Wo kommt denn der grüne Strom her für die geforderten E-Autos? Und stets hat er gesagt, dass Elektromobilität teuer werden könnte, zu teuer womöglich für Geringverdiener. Diese Warnung erhält er auch jetzt aufrecht: Immer noch seien E-Autos in der Herstellung 40 Prozent teurer als Benzin- und Dieselwagen, beschreibt der Manager die Lage. Es brauche insofern noch einige Jahre lang staatliche Subventionen. Denn zu Lasten des eigenen Finanzerfolgs will die Antriebswende nun auch nicht finanzieren: bis zum Jahr 2030 will Stellantis seinen Umsatz auf 300 Milliarden Euro verdoppeln - bei einer Rendite von weiterhin mindestens zehn Prozent.

Vieles erinnert an die Volkswagen-Strategie

Das erinnert an "New Auto", diesen Plan, mit dem der noch größere deutsche Konkurrent, der Volkswagen-Konzern, mit sehr viel Geld zum führenden Hersteller von elektrischen Roboterautos werden will. Tatsächlich schaut VW-Chef Herbert Diess mittlerweile nicht nur sehr genau auf Tesla und chinesische Startups, sondern erklärtermaßen auch auf Stellantis: Die machten einen guten Job, würden zunehmend stärker. Wenn man wiederum Tavares auf seinen Kollegen Diess anspricht, dann preist der ihn als einen inspirierenden Wirtschaftsführer, vor dem er "tiefen Respekt" empfinde, so wie der VW-Konzern "Benchmark" sei.

Und doch ist so vieles anders bei Stellantis. Der ganz große Konflikt mit den Arbeitnehmern bleibt bei Tavares wundersamerweise aus, obwohl er noch ein härterer Sparfuchs ist als Diess. Es mag daran liegen, dass Tavares einen Konzern um sich herum gebaut hat, der in den USA, in Italien, in Frankreich, in den Niederlanden und ein bisschen in Rüsselsheim beheimatet ist, das macht Widerstand kompliziert: Als Chef von Peugeot und Citroen kaufte er vor wenigen Jahren Opel dazu. Und dann noch Fiat-Chrysler. Die Synergieeffekte daraus kann man in Zahlen fassen: Es gibt nun nur noch vier Plattformen, auf denen alle Modelle der 14 Marken gründen. Insofern ist ein Opel mittlerweile unter der Haube auch ein Peugeot und andersherum.

Welche Unternehmensberatung das ausgeheckt hat? "CT", antworten sie in seinem Umfeld: Carlos Tavares selbst. Der sich zur Unterstützung eine ungewöhnliche Führung installiert hat: 45 Manager berichten direkt an ihn, den manche im Konzern den König von Stellantis nennen. Auf diesen Status dürfte sein VW-Kollege Diess neidisch sein - aber dann auch auf den unterschiedlichen Anspruch verweisen: Volkswagen will möglichst bald wieder die gesamte Technologieführerschaft in der Autowelt erlangen. Eine der größten Aufgaben dabei: Ein eigenes Betriebssystem für Autos, Milliarden investiert VW.

Carlos Tavares hingegen sagt an diesem Dienstag: "Ich mache nicht mein eigenes Betriebssystem, das bringt nichts." Nicht alles selbst machen, aber doch vieles, übrigens auch bei der Software, das ist sein Ansatz. Zuversichtlich trägt er das vor - und bremst dennoch, denn übermütig ist dieser Mann auch nicht: Noch sei nichts gewonnen. Geld sei dabei nicht das Problem, hebt er an diesem Tag ein ums andere Mal hervor. Viel wichtiger sei ein "Survivor-Mindset": Investoren würden ja nicht nur in Pläne und Konzepte investieren, sondern in die Menschen, die sie ausführen und ihre Arbeitsweise.

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