Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Deutschland braucht mehr Strommasten

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Die Bundesregierung hat die Verfahren für den Ausbau der Stromautobahnen beschleunigt. Das zeigt inzwischen Wirkung - doch die Kosten sind gewaltig.

Von Björn Finke, Brüssel

Anwohner sind oft skeptisch, wenn in der Nachbarschaft Stromtrassen geplant werden. Aber ohne Tausende Kilometer neue Höchstspannungsleitungen wird die grüne Energiewende in Deutschland nicht funktionieren. Schließlich befinden sich die klimafreundlichen Windparks oft im Norden und Osten der Republik - und die Industriezentren, die den Strom benötigen, dummerweise im Westen und Süden. Die Bundesregierung hat daher die zähen Genehmigungsverfahren für die sogenannten Stromautobahnen beschleunigt. Das zahlt sich bereits aus.

Dies sagt zumindest Hans-Jürgen Brick. Und er sollte es wissen, denn der Vorstandschef des Unternehmens Amprion ist einer der Herren über Deutschlands Stromautobahnen. "Die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Beschleunigung zeigt erste Wirkung, sodass wir wichtige Projekte früher als ursprünglich geplant umsetzen können", sagte Brick am Donnerstag bei der Bilanzpräsentation von Amprion in Dortmund. Der Konzern ist der zweitgrößte von vier Betreibern der deutschen Höchstspannungsnetze. Das Netz der früheren RWE-Tochterfirma ist 11 000 Kilometer lang und läuft im Westen der Republik von der Nordsee bis zu den Alpen. Die anderen drei Betreiberunternehmen sind 50 Hertz, Tennet und Transnet BW.

Der Bund könnte Tennet kaufen

Brick nannte Beispiele, wie sich die Vereinfachungen der Politik auswirken. So sollen zwei große Leitungen, mit denen Amprion Elektrizität von Windparks in der Nordsee abtransportieren will, zwei oder drei Jahre früher in Betrieb gehen können: nämlich 2029 und 2030. Die Planung eines Erdkabels, also einer unterirdischen Stromtrasse, zwischen Niedersachsen und Hessen soll sich um zwei Jahre beschleunigen. Insgesamt erhielt die Firma mit ihren 2300 Beschäftigten im vergangenen Jahr Genehmigungen für mehr als 200 Kilometer Leitungen und konnte 115 Kilometer fertigstellen. Beides sind Bestmarken.

Der Dortmunder Konzern, dessen Anteile zu drei Vierteln Versicherern und zu einem Viertel RWE gehören, investierte 2022 auch so viel wie nie zuvor in den Aus- und Umbau des Netzes: 1,5 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr sollen es sogar 2,8 Milliarden Euro sein. Bis 2027 will Vorstandschef Brick gut zwölf Milliarden Euro für Leitungen auf Land und zehn Milliarden Euro für Anschlüsse auf See ausgeben. "Es beginnt eine neue Phase der Energiewende, in der wir von der Planung zunehmend in die Umsetzung kommen", sagte er.

Und nach 2027 werden weiter riesige Investitionen anstehen. Im März veröffentlichten Amprion und die drei anderen Betreiber der Stromautobahnen eine Übersicht, welche Leitungen bis 2045 nötig sind für die Umstellung auf eine klimafreundliche Energieversorgung. Das Quartett schätzt demnach, dass 5700 Kilometer Leitungen auf Land und 8500 Kilometer auf See gebraucht werden. Die neuen Projekte sollen insgesamt 128 Milliarden Euro kosten. Ein Teil der Investitionen könnte am Ende der Steuerzahler schultern. Schließlich verhandelt die Bundesregierung mit der niederländischen Regierung darüber, das deutsche Tennet-Netz zu kaufen. Tennet ist eine niederländische Staatsfirma - und größter deutscher Netzbetreiber.

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