Süddeutsche Zeitung

Nach Maut-Debakel:Doppelt Ärger für Scheuer

Lesezeit: 2 min

Von Markus Balser, Berlin

Im Streit um die finanziellen Folgen der gescheiterten Pkw-Maut hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Mittwoch im Bundestag harte Kritik vom eigenen Koalitionspartner und der Opposition zu hören bekommen. Der Minister habe es zu verantworten, "dass die Maut für den Steuerzahler ein unglaubliches Folgefiasko ist", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer.

Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic monierte, Scheuer sehe Schuld bei vielen anderen, räume aber keine persönliche Verantwortung ein. Seine Fraktion drohte dem Minister mit einem Untersuchungsausschuss.

Scheuer steht heftig in der Kritik, seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der vergangenen Woche die beschlossene deutsche Pkw-Maut für rechtswidrig erklärte und damit stoppte. Die Maut sollte eigentlich im kommenden Jahr starten. Scheuer räumte bereits massive finanzielle Folgen ein. Im Verkehrsetat fehlen bis 2023 Einnahmen von einer Milliarde Euro. Über 50 Millionen Euro Vorbereitungskosten für die Maut muss die Regierung abschreiben. Hinzukommen können hohe Entschädigungen für die Betreiberfirmen.

Opposition und auch die SPD werfen Scheuer nun vor, schon Ende 2018 Verträge mit den Maut-Betreibern Kapsch und CTS Eventim geschlossen zu haben, ohne das Urteil abzuwarten. Die Verträge hat der Bund nach dem Urteil in der vergangenen Woche noch am selben Tag gekündigt. Dennoch könnten daraus millionenschwere finanzielle Ansprüche der Firmen folgen.

Das Ministerium argumentiert, es sei in der Pflicht gewesen, die Maut schnell umzusetzen, um die Einnahmen zu sichern. Dem widersprach der eigene Koalitionspartner. Die SPD sei dafür gewesen, mit der Vertragsunterzeichnung bis zum EuGH-Urteil zu warten, sagte die SPD-Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann am Abend.

Scheuer wies die Kritik zurück. Es habe aus dem Parlament die Mittel und den Auftrag für die Maut gegeben, die EU-Kommission habe grünes Licht signalisiert. Zudem habe man aus früheren Fällen gelernt und in mehreren Punkten in den Verträgen Vorsorge getroffen und Kündigungsmöglichkeiten vereinbart.

Scheuer sieht mehrere Gründe für das Ende der Maut-Verträge

Die Kündigung der Verträge offenbart nach Informationen der Süddeutschen Zeitung allerdings auch heftigen Streit zwischen Ministerium und Betreibern. Das Bundesverkehrsministerium beruft sich nach Angaben Scheuers neben dem Ordnungs- und Europarecht auf zwei weitere Gründe für das Ende der Maut-Verträge: Erstens hätten die beauftragten Firmen auch nach dem Urteil des EuGH noch Aufträge an andere Firmen vergeben. Es handle sich um den Versuch der vorsätzlichen Schädigung des Auftraggebers, also des Bundes, sagte Scheuer in einer vertraulichen Sitzung am Mittwoch. Das sei ein "sehr, sehr triftiger Kündigungsgrund".

Zweitens gab es nach Aussage Scheuers schon unmittelbar vor dem Urteil Unstimmigkeiten mit den beteiligten Firmen. Es seien Fristen überschritten worden, erklärte er, ging aber nicht ins Detail. Bei einem großen Projekt gebe es zwar "immer auch mal Ruckeleien". Entscheidend aber sei, dass der Auftragnehmer am Tag vor dem Gerichtsurteil - am 17. Juni - mitgeteilt habe, "dass er mit dem gegenseitigen Arbeiten nicht zurecht kommt". Daraus habe sich ein weiterer Kündigungsgrund "mit sehr guten Chancen" entwickelt. Beteiligt sind der österreichische Maut-System-Betreiber Kapsch und der deutsche Ticketvermarkter Eventim.

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Quelle:
SZ vom 27.06.2019
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